Velbert. Corona betrifft auch die GLW Velbert: Sie hat für die Azubis eine Lernplattform zum E-Learning befüllt. Derweil bleibt die Praxis auf der Strecke
Der Hinweis „Die Einrichtung ist für Besucher geschlossen“ hängt an jeder Eingangstür der „Gemeinschaftslehrwerkstatt (GLW) der Industrie von Velbert und Umgebung“. Und nicht nur für sie: Die Corona-Krise sperrt seit der vergangenen Woche an der Poststraße auch die 103 Azubis im ersten Lehrjahr komplett aus, die seither in ihren jeweiligen Betrieben sind, ebenso alle 81 Umschüler – nunmehr zuhause – sowie die 20 festen Lehrkräfte. Die GLW hat notgedrungen auf E-Learning umgestellt und dafür mit Hochdruck eine Lernplattform befüllt.
Zweites und drittes Jahr kurz vor dem Start
Damit sei man am Montag bereits für die Auszubildenden im ersten Lehrjahr gestartet, berichtet Waltraud Reindl, und könne gleiches zeitnah – vermutlich schon in der kommenden Woche – den GLW-Kunden auch für das zweite und dritte Ausbildungsjahr anbieten und zum Buchen freigeben. „Mein Team hat so super innerhalb von nur fünf Tagen eine komplexe und für alle einheitliche Lernplattform hochgezogen“, lobt die kaufmännische Geschäftsführerin (seit Mai 2019).
Daheim Aufgaben lösen und bearbeiten
Die Internet-basierte Plattform „MLS“ – die Abkürzung steht für „Mobile Lerning in Smart Factories“ – habe ihren Ursprung in der Nachwuchsstiftung Maschinenbau und sei jetzt eigens mit GLW-spezifischen Inhalten befüllt sowie auf die dortigen Ausbildungsberufe und Teilnehmer zugeschnitten worden. Auf der Plattform würden in regelmäßigen Abständen Aufgaben zur Verfügung gestellt zur Bearbeitung bzw. zum Lösen daheim am PC. Die Azubis aus insgesamt rund 40 Betrieben hätten übrigens bisher noch keine Kurzarbeit.
Sich rüsten für den Tag X
Seit 1938 in Sachen Ausbildung unterwegs
Die GLW wurde 1938 von Velberter Unternehmen mit dem Auftrag gegründet, die Metallgrundausbildung durchzuführen. Schwerpunkte sind heutzutage spanende Fertigung, Automatisierungs-, Feder- und Stanztechnik.
Die Azubis im ersten Ausbildungsjahr verbringen dieses in der überbetrieblichen Einrichtung an der Poststraße und besuchen an ein bis zwei Wochentagen das Berufskolleg.
Das Problem: Aktuell ist ungewohnt viel – da geballt und hochkonzentriert – Theorie angesagt, derweil die Praxis für unbestimmte Zeit komplett flachfällt. „Das geht aber leider nicht anders und liegt ja nicht in unserer Hand. Wir unterliegen nun einmal dem Ministeriumsbeschluss für öffentliche und private Bildungseinrichtungen“, sagt die Dipl.-Kauffrau, die nach eigenem Bekunden zurzeit jedoch „von Pontius bis Pilatus“ läuft, telefoniert und mailt, um sich für „eine möglichst nahe Zukunft“ zu wappnen. Nämlich den Betrieb in der GLW so umzustrukturieren, „dass ich die Empfehlungen des Gesundheitsamtes erfülle und das Ganze den Richtlinien entspricht“. Dann solle die Praxis wieder im GLW-Alltag Einzug halten.
Umschichtig und in kleineren Gruppen
Das reiche z. B. von Plexiglaskabinen, Mundschutz und Vorkehrungen in den Sanitärbereichen bis hin zu veränderten Arbeitszeitmodellen. Die Jugendlichen würden dann in kleineren Gruppen umschichtig betreut und unterrichtet. Und zwar ohne Pausen, um größere Gruppen zu vermeiden, und maximal fünf Stunden plus zweieinhalb mit Lernplattform-Inhalten. Der Tag für die Lehrenden würde dadurch länger.
Wichtige Lebenszeit geht verloren
„Die jungen Leute verlieren Zeit, wichtige Lebenszeit für die berufliche Bildung“, mahnt Waltraud Reindl und schwenkt über zum Thema Prüfungen. Auf die Betriebe käme die Herausforderung zu, dass die Prüfungen Teil I und II nur bedingt verschoben werden können, ohne das gesamte Ausbildungssystem zu behindern. Sie wären jetzt zum März/April fällig, bestätigt Dirk Brus und berichtet, dass die Teil-I-Prüfung bereits verschoben sei. Die IHK-Prüfungen, so der Leiter des CNC-Bereichs weiter, seien „grundsätzlich bis zum 24. April ausgesetzt“.
Nachhilfe per Video
Parallel zu den Corona-bedingten Umbrüchen versuchen die GLW-Verantwortlichen einen Stärkungsunterricht per Video individuell für die industriellen Metallberufe aufzubauen und dafür einen virtuellen Klassenraum einzurichten. Die Probleme der Azubis würden häufig auf Mathematik oder Physik reduziert, erläutert Brus. Im Berufsschulunterricht fänden sich heutzutage aber keine klassischen Fächer mehr wie die beiden genannten. Diese seien in technologische Fächer wie Fertigungstechnik, Automatisierungstechnik oder Montageprozesse integriert. Die GLW-Nachhilfe arbeitet die ma-thematischen und physikalischen Aufgabenstellungen und Probleme im technologischem Kontext auf und löst sie zusammen mit dem Azubi. „Das war gerade im Aufbau begriffen“, sagt Reindl, „und das forcieren wir jetzt.“