Velbert-Mitte. GLW Velbert stellt sich Herausforderungen durch Digitalisierung und Industrie 4.0. Lehrwerkstatt krempelt ihre Ausbildung didaktisch völlig um.

In der GLW, der Gemeinschaftslehrwerkstatt der Industrie von Velbert und Umgebung, wird nicht nur gelehrt und ausgebildet, das Team der GLW lernt auch immer wieder selbst dazu. Jetzt stellt die Einrichtung ihr Ausbildungssystem didaktisch sogar auf völlig neue Füße.

Ein Satz hat alles verändert

Man habe fast 81 Jahre nahezu immer das Gleiche gemacht, sagt Volker Knipping. Selbstverständlich sei permanent modifiziert worden und auch eine Anpassung an die jeweils aktuellen Technologien erfolgt, so der Geschäftsführer weiter, doch das didaktische Konzept sei im Grunde stets gleich geblieben. „Das war auch über Jahrzehnte in Ordnung“, bekräftigt der 47-Jährige. Aber Knipping hatte ein Schlüsselerlebnis.

Ausbildung, Umschulung und Weiterbildung

Die GLW Velbert ist der Ausbildungspartner der Industrie für Metall- und Elektroberufe.

Weitere Arbeitsfelder sind verschiedene Umschulungen sowie Weiterbildungsangebote, etwa in CNC-, Feder-, Steuerungs-, Erodier- und Stanztechnik.

Beim Firmenbesuch bei einem lokalen Pionier auf dem Feld der 3 D-Technik habe dieser ihm nämlich gesagt, was man wirklich und unbedingt brauche seien Facharbeiter, die anders dächten. Dieser eine Satz habe alles verändert. Und deshalb rutscht jetzt in der GLW das Warum vor das Wie, rangiert die Erkenntnis vor der Fertigkeit. Die GLW-Teilnehmer sollen komplexe Problemstellungen lösen und meistern und sie sollen bewusst z. B. über Zeichnungen stolpern, in denen ganz bewusst ein wichtiges Maß fehlt.

Prozesse analysieren und optimieren

3 D-Druck, hier mit dem Ausbilder Tobias Tielsch, wird integrierter Bestandteil der Ausbildung an der Poststraße.
3 D-Druck, hier mit dem Ausbilder Tobias Tielsch, wird integrierter Bestandteil der Ausbildung an der Poststraße. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Flapsig formuliert, bekommen die Firmen künftig von der Poststraße andere Azubis geliefert als bisher. Sie werden übrigens in der Regel ein Jahr überbetrieblich ausgebildet. Oder nach offizieller Lesart der Lehrwerkstatt, die im vergangenen Jahr ihren 80. Geburtstag gefeiert hat: „Fachkräfte, die den Anforderungen der Digitalisierung gewachsen sind, für die die Themen der Industrie 4.0 wie selbstverständlich sind und die Prozesse analysieren und optimieren können, kommen künftig aus Velbert“. Zur Erklärung: Industrie 4.0 steht für die vierte Phase der Industrialisierung.

Bisher separat und isoliert vorgegangen

Das bisherige Vorgehen veranschaulicht Volker Knipping beim Gang durch die GLW anhand der Vitrinen mit Werkstücken. Jede Übung sei bislang separat und isoliert gemacht worden. Zusammenhänge seien dabei viel zu kurz gekommen, ganzheitliches Denken und Erfassen seien nicht vorgesehen gewesen. „Das war zwar lange zeitgemäß, Themen wie Industrie 4.0 und Digitalisierung fordern jedoch eine andere Marschrichtung und neue Ansätze.“ Viele Bildungsträger schulten zwar 4.0, allerdings didaktisch 2.0.

Komplett eine Eigenkonstruktion

Die Lehrwerkstatt feierte im vergangenen Jahr ihr 80-jähriges Bestehen.
Die Lehrwerkstatt feierte im vergangenen Jahr ihr 80-jähriges Bestehen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Für das, was jetzt ins Rollen kommt, steht sinnbildlich ein Brummi im Modellbaumaßstab 1:18. Er sei komplett eine Eigenkonstruktion und „im Grunde unser Ankerprojekt“, erklärt der Geschäftsführer (seit 2015). Dort steckten zunächst einmal alle Berufe drin, wie sie sich im ersten Lehrjahr darstellten, und die Inhalte, wie sie laut Rahmenplan für die Ausbildung in der industriellen Metallverarbeitung verpflichtend abgedeckt werden müssten.

Auch die Schnittstellen kennenlernen

Neu komme nun hinzu, dass etwa jeder Azubi seinen Brummi ganz individuell fertige, handwerklich anders und mit ganz eigenen Varianten und Komponenten. Statt einer starren eine Lenkachse, mal mit Licht, mal mit Antrieb und Fernbedienung. „Wir machen aus einem mechanischen ein mechatronisches System.“ Das geht hin bis zur Einbindung beim Einkauf, um, „über den Tellerrand zu schauen und auch Schnittstellen kennenzulernen“. Die Azubis sollten überhaupt fixer und wendiger werden.

Ab August auch Alltag im Metallbereich

Nach bereits drei, laut GLW-Führung erfolgreichen Durchläufen im Elektronikbereich hält das neue Konzept gen Ende August auch Einzug im Metallbereich. Zunächst habe es in den eigenen Reihen auch Skepsis gegeben, mittlerweile werde das Konzept von allen Ausbildern getragen, berichtet Knipping auf Nachfrage, und inzwischen sei „auch eine tolle Dynamik“ hineingekommen: „Es bleibt auch auf Dauer ein dynamisches Projekt.“

Lieber wieder das ganze Paket als nur Module

Die Lehrwerkstatt hat aktuell 28 Mitarbeiter, davon sind 21 Ausbilder. Im zurückliegenden Lehrjahr wurden 101 Azubis betreut und 60 Umschüler. Geschäftsführer Knipping – der Velberter ist schon seit 16 Jahren dabei und hat einst als Ausbilder in der Fräserei angefangen – hat das Lehrgangskonzept bereits einigen Firmen vorgestellt. Offensichtlich mit positiver Resonanz. Viele hätten in letzter Zeit bei der GLW zunehmend nur noch Module gebucht, schwenkten nunmehr jedoch um und „nehmen das ganze Paket“.