Neviges. Das Nostalgie-Café ist aus dem Bergischen Hof in die Räume der ehemaligen Konditorei Paaß gezogen. Inhaber Lars Jesert hat hier noch viele Ideen.

Die Schellack-Plattensammlung ist schon da, auch die vielen Kaffeekannen, auf der Fensterbank steht eine Schreibmaschine aus den fünfziger Jahren, von der Wand lächelt Show-Ikone Vico Torriani. Nicht zu vergessen die Dame in Weiß am Klavier. Was noch fehlt, sind die Schaufensterpuppen und überhaupt etwa 60 Prozent der liebenswerten alten Schätzchen, die noch drüben im Bergischen Hof lagern, wie Inhaber Lars Jesert schätzt: Sein Nostalgie-Café ist umgezogen, und zwar schräg gegenüber in die frühere Konditorei Paaß. Im Dezember 2018 hatte sich das Ehepaar Paaß aus Altersgründen zurückgezogen, nach 110 Jahren Konditorkunst endete eine Ära. Ein Jahr lang standen die großzügigen Räume leer, jetzt hat sich der Herzenswunsch von Magdalena und Tilmann Paaß erfüllt: Es gibt einen Nachfolger, der die damals innovative Kühltheke aus Marmor ebenso übernimmt wie die große Backstube.

Drohender Abriss zwang zum Umzug

Inhaber Lars Jesert fühlt sich wohl an dem neuen Standort. Auch hier gibt es wieder die „Wohnzimmer-Ecke“.
Inhaber Lars Jesert fühlt sich wohl an dem neuen Standort. Auch hier gibt es wieder die „Wohnzimmer-Ecke“. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Der Grund, warum die Familie Jesert aus dem schmucken, denkmalgeschützten Schiefer-Gebäude ausgezogen ist: Der „Bergische Hof“ selbst ist zwar denkmalgeschützt, doch der hintere Anbau hin zur Bernsaustraße nebst der Garagen soll abgerissen werden, ein Investor plant hier Seniorenwohnungen. „Damit fallen für uns 50 Prozent der Fläche weg, unter anderem der Bereich für die Toiletten“, so Lars Jesert. Da kam es wie gelegen, als das Ehepaar Paaß anfragte: „Wären unsere Räume nichts für euch?“ Gesagt, getan: Die Wände bekamen eine neuen Anstrich, noch immer müssen Unmengen von Kisten mit Fotos, Porzellan, Büchern und so weiter ausgepackt werden. „Bis Ende des Jahres werden wir wohl fertig sein“, schätzt Lars Jesert, der hier traditionelle Gerichte aus der Bergischen Küche und hausgemachten Kuchen anbietet. In der riesigen Backstube kann er ja nach Herzenslust loslegen.

Ein Koffer voller Autogrammkarten

So wurden früher Filme gezeigt. Noch nicht ausgepackt sind die vielen alten Foto-Apparate, die es drüben im Bergischen Hof zu sehen gab.
So wurden früher Filme gezeigt. Noch nicht ausgepackt sind die vielen alten Foto-Apparate, die es drüben im Bergischen Hof zu sehen gab. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Eine Gruppe von Wanderern kommt herein und bekommt den Mund nicht mehr zu: Haushaltsgeräte aus den siebziger Jahren, Kaffeekannen mit Goldrand, ein alter Fernseher. „So einen hatten wir auch mal“, ruft einer. Die plötzliche Zeitreise durch Jahrzehnte macht die Gäste erstmal sprachlos. Klar, Kaffee und Kuchen gibt’s hier auch – und dazu jede Menge zu staunen. Angefangen hat alles mit ein paar Möbeln aus den sechziger Jahren, die die Jeserts vor zehn Jahren in ihrem Café aufstellten. „Wir haben gemerkt, dass Retro ankommt. Mit der Zeit haben uns dann Gäste gefragt, ob sie uns nicht etwas vorbeibringen können.“ Wie etwa jene alte Dame, die einen Koffer abstellte, vollgestopft mit Original-Autogrammkarten. Den Großteil haben die Jeserts behalten, der Rest wurde einem Museum übergeben.

Biergarten auf dem Klostervorplatz

Kaffeekannenparade: Bald soll es hier wieder Kuchen für den Außer-Haus-Verkauf geben.
Kaffeekannenparade: Bald soll es hier wieder Kuchen für den Außer-Haus-Verkauf geben. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

A propos Museum. Vater Holm Jesert hat schon eine Idee, wie man das leere Kloster gegenüber des Cafés nutzen könnte: „Ein Alltagsmuseum für die 50er bis 70er Jahre. In der ehemaligen DDR haben sie das in vielen Kleinstädten, aber in ganz Westdeutschland wäre das hier das einzige.“ Man müsse doch mal was bewegen in Neviges, „da gehen Sie rein und alles sieht aus wie eine Wohnung in den 50er Jahren.“ Und auch für den Klostervorplatz direkt vor dem Café hat er eine Vision. „Den würden wir gern für unsere Außengastronomie nutzen, mit Tischen, Stühlen und Schirmen, das wäre ein echter Gewinn.“ Wohl wissend, dass hier das Erzbistum Köln ein Wörtchen mitzureden hat.

Frische Brötchen am Wochenende

Montags ist Ruhetag

Nostalgie-Café, Klosterstraße 6, 02053 8499574. Geöffnet ist am Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 10 bis 18.30 Uhr sowie am Donnerstag von 9.30 bis 18.30 Uhr. Montags ist Ruhetag.

Aus Traditionsgründen bleibt der Name Paaß erhalten. Auf dem Schild steht in Zukunft Nostalgie-Café, ehemals Café Paaß. Zu den 500 Quadratmetern Innenfläche kommen im Sommer 100 Quadratmeter Außengastronomie.

Was die Jeserts schon in absehbarer Zeit anbieten wollen: Frische Brötchen am Wochenende und Kuchenverkauf auch außer Haus. Denn nur, um alte Kannen schön zu präsentieren, ist die maßangefertigte Marmortheke des Konditors Paaß viel zu schade. Nur durch das Material hält sie den Kuchen kühl. Manchmal sind nostalgische Schätzchen nicht nur schön, sondern auch praktisch.

Weitere Fotos sehen Sie online auf www.waz.de/velbert.