Oberhausen. Thorsten Rohmert (44) und Dennis Herrmann (26) halten die Tradition aufrecht: An den Adventsamstagen ziehen sie mit Norbert Schmitz (75) durch Holten.
„Norbert, tröten!“ heißt es, und der helle Ruf eines Signalhorns bläst durch die Gassen Holtens. Es ist kalt, Schneeregen kündigt sich an, trotzdem haben sich über 100 Menschen in der Krummen Straßen versammelt, als Norbert Schmitz unter seiner breiten Hutkrempe das Horn ertönen lässt.
Seit 1985 pflegt der 75-Jährige als Nachtwächter eine Jahrhunderte alte Tradition in Holten – jetzt hat er zwei Neue an der Seite, mit denen er in der Adventszeit den Ortsteil einberuft und für den guten Zweck singt. Neugierig drängen sich Holtener um die Gruppe.
Eine Stunde vor ihrem ersten Auftritt als Nachtwächter sitzen Dennis Herrmann und Thorsten Rohmert in einem Holzhäuschen in Schmitz’ Garten. Die Liederbücher liegen vor ihnen, wochenlang haben sie Texte geübt. Nicht, dass Thorsten Rohmert sie nicht bereits kannte: Der 44-Jährige lebt mit seiner Familie an der Krummen Straße, kennt die Nachtwächter. „Es ist eine große Ehre, gefragt zu werden, ob man mitmachen will.“
Es gelte, diese Tradition zu bewahren, sagt der 26-jährige Dennis Herrmann. Er kommt aus Walsum, singt in Holten im Kirchenchor und sagt: „Diese Gemeinde ist schon besonders.“
Nachtwächter liefen in mittelalterlichen Städten durch die Gassen, um Bürger vor Gefahren zu warnen. Unter dem Schein ihrer Laternen hatten sie verdächtige Personen schnell im Blick. Mit der Einführung der Straßenbeleuchtung verschwanden die Wächter aber, heute gibt es sie in vielen Städten nur noch als touristische Variante.
Tradition 1985 wiederbelebt
In Holten waren die Nachtwächter nie Schein. Schmitz rief mit Manfred Gipmans und Franz Schmitz 1985 die Tradition zurück ins Stadtteilleben, um die Holtener in der Vorweihnachtszeit zusammenzubringen. An den Adventsamstagen gingen sie durch Holten, sangen und sammelten Geld für Hilfseinrichtungen wie das Friedensdorf, die Lebenshilfe oder den Alsbachtal-Verein körper- und mehrfachbehinderte Menschen. Es kamen Auftritte in Altenheimen und anderen Gemeinden dazu. Dann verstarb Fritz Schmitz 2005, Manfred Gipmans legte sein Cape aus Altersgründen 2011 zur Seite.
Wehmut sei an diesem Abend aber doch dabei, sagt Gipmans, der sich zum Auftritt seiner Nachfolger in die Menge mischt. „Ich habe das immer gerne gemacht, aber jetzt sind die Jungen dran“, sagt er.
Lange genug hatte Schmitz nach neuen Nachtwächtern gesucht, doch sich gerade im stressigen Advent Zeit vom Familienleben abzuknapsen, das konnte nicht jeder. Umso neugieriger war Holten auf die Zwei, die dieses wichtige Ehrenamt übernehmen. Die Straßenzüge haben die Holtener weihnachtlich geschmückt, an jeder Gesangsstation haben Nachbarn Deftiges und Süffiges vorbereitet. Holten brauche seine Nachtwächter, sagt Bezirksbürgermeister Dieter Janßen (SPD): „Ohne sie würde dem Stadtteil etwas fehlen.“
Spenden fürs Friedensdorf
In 64 Orten in Europa ziehen Nachtwächter ihre Runden, 157 nächtliche Wanderer zählt die Europäische Nachtwächter- und Türmerzunft, die sich 1987 gegründet hat. Auch die Holtener Gruppe gehört dieser Zunft an.
Norbert Schmitz hat nun die Aufgabe, die beiden Neulinge „anzulernen“. Ein Zeitlang läuft er mit ihnen durchs nächtliche Holten im Advent, bevor sie eine Aufnahmeprüfung absolvieren müssen. „Dazu kommt auch ein Zunftmeister zu uns, der guckt, wie sie sich so aufführen“, sagt Schmitz.
Eine Chance, sich selbst von den Nachtwächtern zu überzeugen, wird an allen Adventsamstagen um 20 Uhr geboten: Am 8. Dezember singen sie am Pfarrheim an der Mechthildisstraße 3 mit dem Nikolaus, am 15. Dezember am Kastell Holten und am 22. Dezember auf dem Marktplatz mit Chören und dem evangelischen Blasorchester Oberhausen. Am 14. Dezember singen sie um 17 Uhr auf dem Marktplatz. Spenden werden gesammelt für das Friedensdorf.