Sterkrade. . In Sterkrade gibt es künftig kein Fahrkartenverkauf mit Beratung über die gewünschte Bahnverbindung
Man muss Herbert Gehrken nur kurze Zeit zuschauen, um etwas über seine Rolle am Bahnhof zu lernen. Da steht eine ältere Frau vor ihm, die nach Leipzig fahren will, ohne viel Umsteigen. Und dann der Mann, dessen Reiseziel Gehrken schon kennt – so oft scheint er zum Ticketkauf in das Ladenlokal zu kommen.
Herbert Gehrken (63) arbeitet seit zehn Jahren am Bahnhof. In einer Agentur, die seiner Frau gehört, verkauft er vor allem BahnFahrkarten, aber auch Tabak, Zeitungen und Bustickets. Ende April geht er in den Ruhestand. Einen Nachfolger für ihn sucht die Bahn nicht. Kunden, die beim Buchen Hilfe benötigen, müssen ab Mai zum Hauptbahnhof fahren. Im Stadtteil sorgen sich Akteure um den Verlust dieses bürgernahen Dienstes.
Bei der Bahn gelernt
Gehrken ist ein alter Hase. Lange Jahre hat er bei der Bundesbahn im Kundenservice gearbeitet, daher sein Fachwissen. Nach schwerer Erkrankung und Abschied von der Bahn arbeitet er nun im Geschäft seiner Frau. Die Umsätze seien gesunken, so dass man davon kaum noch über die Runden komme. „Ich habe das hier zuletzt als Hobby gemacht.“
Vergeblich hat Gehrken ein Jahr lang einen Nachfolger gesucht. Unterstützt hat ihn der Konzern Deutsche Bahn nicht. „Ein personenbedienter Ticketverkauf ist für Sterkrade nicht mehr vorgesehen“, stellt ein DB-Sprecher klar. Für jede Stadt gibt es eine Anzahl von solchen Verkaufsstandorten, deren Inhaber Provision für jedes verkaufte Ticket erhalten. Wird eine Agentur darüber hinaus geführt, ist die Provision deutlich geringer – der Verkauf lohnt kaum. Das ist in Sterkrade der Fall. In Oberhausen bezuschusst die Bahn nur einen Schalter mit höheren Provisionen: am Hauptbahnhof. „Heute kaufen nicht mehr so viele Menschen am Schalter ihr Ticket, sondern übers Internet und am Automaten“, sagt der Sprecher. Wer das nicht will oder kann – der Sprecher rät zur Telefon-Hotline.
Im Stadtteil wird die Schließung bedauert. Robbie Schlagböhmer, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Stig und Inhaber eines Reisebüros, lobt Gehrken als Bahn-Koryphäe. „Wenn ich komplizierte Buchungen habe, bin ich zu ihm gegangen.“ Seine Reisekaufleute könnten zwar auch Bahntickets verkaufen – aber das rechne sich nicht. Auch die Stoag könne nicht einspringen: „Wir haben die Technik gar nicht“, sagt Sprecherin Sabine Müller. Sie berichtet gleichwohl, dass die Stoag die Bahn deswegen angeschrieben habe. Aber in Frankfurt wisse man vom Aus für die Sterkrader Verkaufsstelle gar nichts.