Oberhausen-Schmachtendorf. Seit vier Wochen leben Flüchtlinge in einer Oberhausener Kirche. Die anfängliche Kritik der Anwohner ist größtenteils verstummt. Sorgen gibt es trotzdem.

Die Sonne scheint vom strahlend blauen Herbst-Himmel, Kinder fahren auf Rollern und Fahrrädern um die Wette die Straße herunter. Es ist ruhig geworden um die Kirche an der Kempken­straße in Schmachtendorf. Noch vor vier Wochen gaben sich TV-Teams, Fotografen und Journalisten aus ganz Deutschland dort die Klinke in die Hand. Statt klickender Kameras hört man nun spielende Kinder.

„Gemeinde räumt Kirche für Flüchtlinge“ titelten Ende Oktober etliche Zeitungen. Dafür gab es Lob – aber auch Kritik. Vor allem Anwohner und Gemeindemitglieder äußerten damals Bedenken und fühlten sich überrumpelt. „Wir haben Fehler bei der Kommunikation gemacht“, sagt Pfarrerin Stephanie Züchner rückblickend. „Das tut uns sehr leid, dafür entschuldigen wir uns.“ Die Situation der Flüchtlinge in Oberhausen habe auch sie damals überrollt. Schnelles Handeln war nötig.

Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft ist groß

Kritiker gebe es immer noch. „Aber es sind weniger geworden“, sagt Stephanie Züchner. Viele sind mittlerweile überzeugt – wie die Anwohnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ja, ich war gegen die Unterbringung der Flüchtlinge“, sagt sie leise und entschuldigend. „Aber jetzt sind sie hier. Es sind Familien mit kleinen Kindern, die mir sehr leid tun. Ich freue mich, dass ihnen geholfen wird“, sagt die ältere Dame mit hörbarem Kloß im Hals.

Heimat, die keine mehr ist

54 Flüchtlinge leben derzeit in der Kirche an der Kempken­straße, darunter 26 Kinder. Das jüngste ist gerade einmal knapp vier Monate alt.

„Ich erlebe bei den Menschen eine tiefe Dimension von Heimweh“, erzählt Pfarrerin Stephanie Züchner: „Sehnsucht nach einer Heimat, die eigentlich keine mehr ist.“

Die Hilfsbereitschaft in der Gemeinde und der gesamten Nachbarschaft sei überwältigend groß, erzählt Stephanie Züchner. Knapp 80 Ehrenamtliche seien beim ersten Helfer-Treffen zusammengekommen, um ihre Unterstützung zuzusagen. Sie sind an unterschiedlichsten Stellen im Einsatz. Heute ist es eine Kindergartengruppe des evangelischen Familienzentrums Schmachtendorf, die Geschenke bringt: Obst und kleine Spielzeug-Kreisel für die Kinder. Beides kommt sehr gut an.

Pragmatische Hilfe ist besonders wichtig

Eine der Ehrenamtlichen ist Daniela Handwerk. Sie wohnt gegenüber der Kirche an der Kempken­straße. Sie habe spontan den Entschluss gefasst zu helfen. „Bei einer Tasse Kaffee“, erzählt sie. „Ich habe aus dem Fenster und die leeren Betten gesehen.“ Die müssen doch bezogen werden, dachte sie sich – und half.

„Ganz pragmatisch, genau das brauchen wir“, sagt Pfarrerin Züchner. Sie braucht Helfer wie Daniela Handwerk. Und wie den Kinderarzt, der regelmäßig ehrenamtlich vorbeischaut. Wie den Optiker in Schmachtendorf, der unbürokratisch hilft, wenn die Brille eines Bewohners zu Bruch geht.

Es müsse unkompliziert gehen, ohne viel Bürokratie, finden auch Inge und Werner Meyerhoff. Das Ehepaar engagiert sich ebenfalls ehrenamtlich und erlebt oft, wie steinig Behördengänge sein können. „Sie glauben ja nicht, wie viele Stempel Sie brauchen, wenn Sie mit einem Flüchtling zum Arzt gehen“, erzählt Werner Meyerhoff. Dabei sei doch gerade hier schnelle Hilfe gefragt.

Behördengänge rauben Zeit

Viel Geduld brauchen Ehrenamtliche und Flüchtlinge auch beim Thema Schule: Fünf Kinder könnten eigentlich schon längst in der Schule sein, die deutsche Sprache lernen, Anschluss finden, Struktur in den Alltag bekommen. „Aber es stehen noch Behördengänge an“, erklärt die ehrenamtliche Helferin Stefanie Dohmen. Die Termine sind im Dezember, die Kinder könnten also frühestens im Januar in die Schule gehen.

„Wir stecken in einem großen Prozess, da brauchen beide Seiten einen langen Atem“, sagt Stephanie Züchner. Vieles brauche einfach Zeit. Und Geduld. „Ein Grashalm wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe.“ Der Weg, die Kirche für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, sei der richtige gewesen, sagt die Pfarrerin. „Liebe wird nicht weniger, wenn man sie teilt, sondern mehr.“