Oberhausen. Zwei geständige Geldautomatensprenger und viele offene Fragen: In Oberhausen nimmt die Justiz die Explosion vom August 2022 am Centro ins Visier.
Die Sprengung zweier Geldautomaten am Centro Oberhausen im August 2022 hat am ersten Prozesstag vier Stunden das Jugendschöffengericht Oberhausen beschäftigt: Die beiden angeklagten Niederländer (17 und 20 Jahre) sind geständig. Sie schweigen aber zu Komplizen und zu möglichen Hintermännern des kriminellen Geschehens, weil sie Repressalien ihrer marrokanischstämmigen Heimat-Community in Amsterdam befürchten, wenn sie vor Gericht darüber reden.
Diesen Grund für ihr Schweigen zu den zwei Mittätern räumen die beiden Angeklagten am Donnerstag vor dem Jugendschöffengericht offen ein. Zugleich gesteht der 20-jährige Angeklagte nach einstündiger Prozessdauer überraschend, in der Nacht zum 29. August 2022 gegen 2.45 Uhr eine zuvor ausgelegte Zündschnur auf dem Luise-Albertz-Platz am Centro angezündet zu haben. Der jüngere Angeklagte gesteht kurz darauf, die entsprechende Sprengladung angebracht zu haben. Zwei Komplizen der beiden sind flüchtig und werden noch gesucht.
In der Tatnacht sprengen die beiden Täter-Pärchen am Centro zwei frei stehende Geldautomaten der Sparda-Bank durch insgesamt vier Detonationen, die in weitem Umkreis zu hören und zu spüren sind. Die Täter flüchten auf motorisierten Rollern. Die beiden nun angeklagten jungen Männer werden noch in der Nacht von der Polizei im Hohlraum eines Brückenpfeilers in Nähe des Rhein-Herne-Kanals gefasst – ganz in Nähe des Centro. Seit dem 29. August sitzen sie in Untersuchungshaft.
Explosion am Centro: Täter rauben 211.000 Euro aus den Geldautomaten
Die Kriminellen rauben damals insgesamt 211.000 Euro aus den beiden Geldautomaten. Das Geld transportieren sie in mitgebrachten Reisetaschen ab. Der größte Teil davon – eine Summe von 206.960 Euro – kann sichergestellt und an das Geldinstitut zurückgegeben werden. 4040 Euro sind verschwunden. Bei den insgesamt vier Explosionen am Luise-Albertz-Platz entsteht ein Sachschaden von fast 130.000 Euro. Nur durch viel Glück werden keine Menschen verletzt. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten die mittäterschaftliche Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit schwerem Diebstahl vor. Im Falle einer Verurteilung droht ihnen eine Freiheitsstrafe von einem bis 15 Jahren bzw. eine Jugendstrafe bis zu zehn Jahren.
Das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richterin Katharina Jostarndt nimmt am ersten Prozesstag im Saal 21 des Amtsgerichts Oberhausen eine akribische Beweisaufnahme vor, hört insgesamt sechs Zeugen, darunter einen Security-Mann des Centro, und sichtet Fotos und Videoaufnahmen aus der Tatnacht.
Besonders eindrucksvoll: Drei Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Oberhausen schildern vor Gericht, wie es ihnen gelang, die beiden Männer im Hohlraum des Brückenpfeilers kurz nach der Tat zu fassen: In Nähe des Rhein-Herne-Kanals stößt die alarmierte Polizei auf einen der motorisierten Roller. Das Fluchtfahrzeug liegt verlassen am Boden. Von den Kriminellen keine Spur. Doch dann entdecken die Polizisten eine offenstehende Gittertür aus Metall an einem Brückenpfeiler in Nähe des Kanals. Die Beamten bahnen sich mit vorgehaltener Dienstwaffe und Taschenlampe den Weg in das stockdüstere Innere des Brückenpfeilers. Einer der Polizisten stößt in einem Seitenraum auf die beiden jungen Niederländer, die bäuchlings auf dem Boden liegen, eine Reisetasche mit dem erbeuteten Geld dabei haben und bei ihrer Festnahme keinen Widerstand leisten.
Polizisten: „Wir waren bei diesem Einsatz im Brückenpfeiler voller Adrenalin“
Richterin Katharina Jostarndt fragt alle drei Beamten, wie sie sich während dieser dramatischen Einsatzminuten gefühlt haben. „Wir waren voller Adrenalin“, sagt einer der Polizisten. Ein anderer berichtet: „Wir wussten zu diesem Zeitpunkt ja nicht, wer uns im Inneren des Brückenpfeilers erwartet.“
Kurz darauf schildern zwei Zeuginnen, die sich in jener Nacht im Bereich der Gastronomie an der Centro-Promenade aufhalten, wie sie das Tatgeschehen erlebt haben: Eine der Zeuginnen sagt, sie habe einen der Motorroller bei der Anfahrt auf der Promenade gesehen und sich gleich gedacht, dass da wohl etwas nicht stimme. Kurz darauf hätten die vier Detonationen das Centro heftig erschüttert. Die Angeklagten entschuldigen sich bei beiden Frauen, vom Dolmetscher übersetzt, für ihre lebensgefährliche kriminelle Tat.
Standen die jungen Männer in jener Augustnacht unter Drogeneinfluss? Auch diese Frage beschäftigt das Jugendschöffengericht. Die Polizei stellte bei beiden einen kurz zurückliegenden Drogenkonsum fest. Andererseits haben die beiden Angeklagten laut Polizei bei ihrer Festnahme einen „geordneten Denkablauf“ und „deutliche Sprache“ gezeigt. Sie wussten also offenbar, was sie taten. Ihnen war versprochen worden, mit einem Anteil von jeweils 5000 Euro an der Beute für ihr Mitmachen belohnt zu werden.
Zweiter Prozesstag am Dienstag, 28. Februar, vor dem Jugendschöffengericht
Der zweite Prozesstag soll nun am Dienstag, 28. Februar, vor dem Jugendschöffengericht stattfinden. Dann werden Gutachten gehört und Staatsanwalt Martin Mende wird sein Plädoyer halten. Er will dabei unter anderem deutlich machen, dass eine größere kriminelle Täterstruktur hinter den Automatensprengungen am Centro Oberhausen steht – Komplizen und Drahtzieher, über die sich die beiden Angeklagten bei aller Reue, die sie zeigen, strikt in Schweigen hüllen.