Oberhausen. . Die Evangelische Markusgemeinde ist das Herzstück des Schladviertels. Sie sieht aus wie ein „Innenhof mit Sternenhimmel“, wie es in der Gemeinde heißt. Hier gibt es den einzigen Jugendtreff des Stadtteils. Das Gotteshaus wird auch als Veranstaltungsort genutzt.
Fast hätten wir einen Fehler gemacht. Wir waren der Meinung: Ein Blick in die Evangelische Markuskirche an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße sei nicht notwendig. Es geht bei unserer Kirchenserie doch vor allem um das Leben drumherum... Doch Pfarrer Helmut Müller und Pfarrerin Sonja Stauer-Müller lassen nicht locker. Zum Glück. Denn sonst hätten wir den Herzschlag der Gemeinde nicht gespürt. Der einzigen in Oberhausen, bei der im Kircheingang ein Kicker steht.
„Hallo Sonja“, begrüßen die Kinder, die gerade daran spielen, lachend ihre Pfarrerin. Die kann sich einen Blick aus den Augenwinkeln nicht verkneifen, der deutlich sagt: „Seht ihr!“ Und wir sehen: Hinter der Fassade des Betonbaus aus 1960 zieht sich das Straßenpflaster bis unter den Altar. Das schlichte Kreuz aus Stahl – eine Hommage an die Region. Ebenso wie die bunten Glasfenster von Georg Meistermann, in denen die Motive aus der Montanindustrie gerade im Sonnenlicht Funken schlagen. „Ein Frühwerk“, sagt die Pfarrerin stolz. Ein Spätwerk des Meisters hätte sich die Gemeinde auch gar nicht mehr leisten können.
Wie ein Innenhof mit Sternenhimmel
Die ersten Besucherinnen, die das Gotteshaus am ersten Advent 1960 betraten, kamen jedenfalls ordentlich ins Stolpern. „Damals waren Pfennigabsätze in“, erklärt Sonja Stauer-Müller schmunzelnd. Noch heute werde mit jeder Konfirmandengruppe der feierliche Gang über den unebenen Steinboden trainiert. „Der gute Boden“, hätten die Gottesdienstgäste damals gemurmelt, „hängt bei denen an der Decke“. „Damit waren die Holzdielen gemeint, in die Lichtspots eingebaut sind“, sagt die Pfarrerin. Und so hieß es schon bald in der Gemeinde: „Die Markuskirche sieht aus wie ein Innenhof mit Sternenhimmel.“
Drinnen ist draußen, draußen ist drinnen: das blieb in den letzten rund 15 Jahren das Konzept des Pfarrerehepaares. „In unserer Gemeinde gibt es keine Trennung zwischen dem Leben vor der Kirchentür und dahinter.“ Für den Gottesraum selbst trifft das schon einmal zu. Direkt davor und darin toben die Ferienkinder.
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Simone Gianopoulos holt ihren Sohn und ihre Tochter ab. Sie sei gar nicht evangelisch, verrät die 33-Jährige. Aber ihre Tochter Sofia gehe nebenan zur Grundschule und treffe sich bei den Ferienspielen mit ihren Freundinnen. Die Familie ist gerade umgezogen. So wie viele junge Familien.
Zu wenig Angebote für Kinder und Jugendliche
Denn im Schladviertel, zu dem die Markusgemeinde gehört, gibt es kaum größere Wohnungen. Auch Grundstücke für Neubauten seien rar. „Der Anteil der Menschen über 65 Jahren ist hier hoch“, bestätigt Pfarrer Helmut Müller. Deshalb hätten die meisten Genossenschaften jetzt beschlossen, ihre Wohnungen an heutige Bedürfnisse anzupassen. „Das wird höchste Zeit, denn sonst wandern noch mehr Familien ab“, sind sich die Müllers sicher.
Überhaupt werde im Stadtteil zu wenig für Kinder und Jugendliche getan. „Unser Jugendzentrum Underground ist die einzige Anlaufstelle“, sagt Helmut Müller. „In diesem Jugendtreff möchten wir Flagge gegen den Rassismus zeigen. Jeder ist bei uns willkommen. Egal welcher Religion, egal welcher Hautfarbe, egal von welcher Schule, egal welches Geschlecht, egal welcher Sexualität.“
Ein Schild vor der Kirche erklärte die Gemeinde darüber hinaus zur „Nazifreien Zone“. Doch das wurde gestohlen. Müllers tippen auf einen Jugendstreich und nehmen es gelassen. „Wenn es jetzt in einem Partykeller hängt, der auf diese Weise zum nazifreien Bereich erklärt wird, hat das doch etwas Gutes“, meint Helmut Müller augenzwinkernd. Dreh- und Angelpunkt der Jugend war die Kirche jedenfalls von Beginn an – bis heute.
Ein Mittagstisch für den Stadtteil
Martina Lindner (50) wuchs ein paar Straßen weiter auf, rief die Teestube mit ins Leben und ist der Gemeinde bis heute treu geblieben. Gleiches gilt für Ulrich Jansen. Der Kirchmeister gehörte in seiner Jugend zu den Bengels, die als Mutprobe den Kirchturm erklommen: von außen natürlich. Diesem Treiben setzte das Presbyterium durch eine Betonverschalung schnell ein Ende. „Das war lebensgefährlich“, sagen Müllers kopfschüttelnd.
Nicht nur der Jugendtreff auch die Kirche selbst wird im Stadtteil gerne genutzt. „Da die Katholische Grundschule und die städtische Gemeinschaftsgrundschule, die sich jetzt zusammengeschlossen haben, keine Aula haben, wollen sie die Kirche künftig für größere Veranstaltungen nutzen“, erzählt die Pfarrerin. In der Markuskirche finden außerdem Jeki-Konzerte statt sowie gemeinsame Konzerte der (gemeindeeigenen) Marimba-Gruppe und der integrativen Musikgruppe Regenbogen. „Die Nachfrage ist groß, deshalb soll die Kirche zum Multifunktionshaus umgebaut werden“, sagt Helmut Müller.
Pfarrfest stets gut besucht
Die dichte Bebauung in der alten Babcock-Siedlung führte dazu, dass es kaum Freiflächen gibt. Kein Wunder also, dass das Pfarrfest im großen Kirchgarten stets gut besucht ist. „Selbst bei schlechtem Wetter“, freuen sich Müllers. Es kämen Nachbarn, Familien mit Kindern, die die evangelische Kindertageseinrichtung besuchen, Schulkinder, Bewohner des Hauses Abendfrieden sowie der 14 Seniorenwohnungen.
An der Beckerstr. 40-42 (Seniorenwohnungen) hat sich übrigens ein Mittagstisch etabliert, der für 4,50 Euro ein Menü bietet – für alle Interessenten aus dem Stadtteil. „Nach einer Stadtranderholung für Senioren wurde dort auch ein Altenkreis gegründet, der sich dienstags um 9 Uhr trifft“, erzählt Helmut Müller. Ein Servicebüro, offene Frühstücksrunden und eine Gruppe für Demenzkranke ergänzen das Angebot.