Oberhausen. . Im Alsfeld plant eine Gruppe von Menschen im Alter Ü55 ein Wohnprojekt, das Gemeinschaft und Privatsphäre vereinen soll – weit entfernt von einer Senioren-WG. Kosten von rund 1500 Euro pro Quadratmeter wurden errechnet. Begonnen werden soll das Werk im Sommer.
Beim Hören der Wörter „spannend“ und „interessant“ stöhnt Jochen Kamps auf: „Ich kann es nicht mehr hören“, wirkt der 57-jährige Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt genervt. Verständlich, denn: „Seit die NRZ im November vergangenen Jahres unser Wohnprojekt vorgestellt hat, hagelte es nahezu Anfragen. Ständig wird man nach wie vor angesprochen. Und immer heißt es: Das ist aber spannend, das ist ja interessant. Nur: Wir wollen jetzt Klarheit und nicht nur wohlwollende Worte.“
Das Projekt – kurz umrissen: Sieben Paare der Altersgruppe Ü55 bis U70 (nach oben sieht man’s nicht eng) wollen sich zusammentun, ein großes Gebäude umbauen, um zwar getrennt voneinander, aber doch gemeinsam zu leben. „Von Senioren-WG oder so sind wir dabei weit entfernt“, sagt Hans-Dietrich Kluge-Jindra, Leiter der Stadtbibliothek und Mitstreiter. „Gemeinsamkeit soll ebenso möglich sein wie Alleinsein“, formuliert Angelika Kluth, die mit Ehemann Michael mittlerweile zur Kernzelle zählt und als Architektin schon fleißigst gearbeitet hat.
Gebäude steht seit sechs Jahren leer
Die ehemalige Hauptschule im Alsfeld steht seit 2009 im Prinzip leer, abgesehen von einer knapp sechsmonatigen Nutzung durch die Käthe-Kollwitz-Schule. Der Baukörper stammt aus den frühen 60ern und ist zu Teilen intakt. Genauer gesagt: Die Statik stimmt, ansonsten: „Elektrik, Fenster, Böden, Heizung“, zählt die Architektin auf und könnte die Liste der Defizite noch fortsetzen. „Aber es wäre zu schade, wenn die Schule leer bliebe, vor sich hin rottete und irgendwann zum Schandfleck würde“, stellt Kamps fest.
Frau Kluth gerät ins Schwärmen, und ihre Grundrisszeichnungen geben dazu allen Anlass. Aus Klassenzimmern (3,50 Meter hohe Decken) und niedrigeren Fluren lassen sich Wohnungen schneiden, die zwischen 140 und 240 Quadratmeter groß sind, ebenerdig und zu einer Seite – nach innen nämlich – ausgerichtet auf ein 40 Meter langes und ein gutes Dutzend Meter breites Atrium. Da fällt das Wort „Kreuzgang“, und so ganz falsch scheint das nicht gewählt, auch wenn es für Erheiterung sorgt. „Das ist eine gemeinsame Fläche, mit der sich eine Menge anfangen lässt“, meint Kluge-Jindra, und Angelika Kluth ergänzt: „Die vorgelagerten Flure, die ich in der Zeichnung als ‘Wintergarten’ bezeichne, wirken ja auch als Puffer zu dieser Fläche.“
Platz für die Pflegebetten
Links und rechts, vor und hinter dem Gesamtgebäude gibt’s noch grüne Fläche, ehe die Nachbarschaft beginnt. Die heißt Grundschule auf der einen, Bezirkssportanlage auf der anderen Seite. Menschen in dem angesprochenen Alter stören solche Nachbarn manchmal, Kamps: „Uns nicht.“ Was ebenfalls nicht stört, ist die fehlende Unterkellerung. Dafür gibt es diverse Abstellflächen und an der Stirnseite sogar eine ganze Serie von kleineren Räumen, über die Frau Kluth sagt: „Da könnte auch eine Art Hausmeister seinen Arbeitsplatz bekommen.“ Und Kluge-Jindra lacht: „Außerdem brauchen wir ja auch Platz für die Pflegebetten.“
Was zunächst wie ein Scherz klingt, hat den Hintergrund, dass alle wissen, irgendwann vielleicht auf häusliche Pflege angewiesen zu sein. Einig sind sie sich darin, stationäre Pflege nicht für sich haben zu wollen, Jochen Kamps: „Das soll nicht bedeuten, wir würden entsprechenden hiesigen Einrichtungen misstrauen, aber wir möchten lieber in der eigenen Umgebung sein, wenn wir mal darauf angewiesen sein sollten.“
Eine "unglaublich schwere Entscheidung"
Doch woran hakt es, dass die Protagonisten trotz des großen Interesses, die „Bezugstruppe“ noch nicht komplett haben? „Wir sind uns im Klaren, dass es eine unglaublich schwere Entscheidung ist“, sagt Kamps, „denn in unserem Alter hat man in aller Regel die Standortüberlegung zum Thema Wohnen abgeschlossen.“ Kluge-Jindra pflichtet bei: „Ich bin Jahrgang 1952, werde also bald in Pension gehen, habe das Haus abbezahlt. Aber jetzt bin ich mit meiner Frau alleine in dem Haus. Wir haben unseren Lebensplan neu überdacht und sind nun froh, vor einer neuen Aufgabe zu stehen.“
Gesucht werden weitere Interessenten, wozu anzumerken ist, dass die Architektin Kosten von rund 1500 Euro pro Quadratmeter errechnet hat. „Da ist aber alles drin“, wirft Kamps gleich ein: „Grunderwerbssteuer und und und.“ Begonnen werden soll das Werk im Sommer.
Interessenten können sich unter jkamps@gmx.de melden – und sollten bloß die Vokabeln „interessant“ und „spannend“ vermeiden.