Oberhausen. . Mehr als 4600 Sanktionen hat das Jobcenter in Oberhausen 2013 ausgesprochen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Sozialanwältin Dagmar Vogeld und das Arbeitslosenzentrum Kontakt üben Kritik. Sie halten die Strafen unverhältnismäßig.

Das Oberhausener Jobcenter hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Strafen gegen Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ausgesprochen als noch 2012. Insgesamt 4675 Sanktionen wurden 2013 verhängt, im Jahr davor dagegen nur 3842. Auch der Anteil der Leistungsbezieher, der sanktioniert wurde, stieg von 4,5 auf 4,9 Prozent.

Dagmar Vogel, Fachanwältin für Sozialrecht, kritisiert dieses Vorgehen, das mit einer teilweisen Streichung des Arbeitslosengeldes einhergeht. „Die Auswirkungen dieser Strafen stehen in keinem Verhältnis.“ Auch Mike Laudon vom Arbeitslosenzentrum Kontakt geht mit dem Jobcenter hart ins Gericht. „Die Sanktionen werden zu schnell ausgesprochen.“

Versäumnisse der Hartz-IV-Bezieher

Ein Großteil der Strafen geht auf Versäumnisse der Hartz-IV-Bezieher zurück. „In rund 80 Prozent der Fälle handelt es sich um sogenannte Meldeverstöße“, berichtet der Sprecher des Jobcenters, Josef Vogt, auf NRZ-Anfrage. „Das heißt, dass jemand seinen mit einem Jobberater vereinbarten Termin nicht eingehalten hat.“

Einen weiteren Bereich machen die sogenannten Eingliederungsvereinbarungen aus. „Wer schriftlich zusichert, einen bestimmten Kurs zu besuchen oder eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen zu schreiben, muss dies auch umsetzen“, so Vogt. Ansonsten drohen Strafen. Auch in Oberhausen gibt es Fälle, in denen die Zahlungen des Arbeitslosengeldes komplett eingestellt werden. Gerade jüngere Bezieher von Arbeitslosengeld II seien davon betroffen. Vogt betont, dass die Betroffenen angehört werden. „Erst danach werden Strafen verhängt.“ Triftige Gründe für das Versäumen eines Termins, etwa Krankheit oder Probleme bei der Kinderbetreuung, würden anerkannt.

Deutlich gesteigerte Fallzahlen

Die deutliche Steigerung der Fallzahlen erklärt Vogt mit einer intensivierten Beratung. „Wenn mehr Termine seitens unserer Mitarbeiter gemacht werden, können auch mehr Termine versäumt werden.“

Für Mike Laudon ist das nicht plausibel. „Ich denke, dass die Strafen zu leichtfertig verhängt werden.“ Durch die gravierenden finanziellen Folgen sei die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. „Wer Hartz IV bezieht, der muss auf jeden Euro achten.“ Das führe zu einem Teufelskreis für die Betroffenen. „Dann gibt es vielleicht Probleme mit der Stromrechnung. Ratenzahlungen müssen vereinbart werden, am Ende bleibt noch weniger Geld übrig.“

Gravierende finanzielle Folgen

Außerdem hätten viele Hartz-IV-Empfänger Schwierigkeiten, die Bescheide zu verstehen. „Gerade für die Betroffenen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gibt es häufig Probleme, den Inhalt der Schreiben zu erfassen.“ Im Jobcenter würde diesen Leuten nicht geholfen. „Teilweise werden sie dann zu uns geschickt. Wir nehmen uns die Zeit für Beratungsgespräche.“

Die Oberhausener Anwältin Dagmar Vogel übt ebenfalls Kritik. „Selbst wenn ein Betroffener 15 Minuten zu spät zu einem Termin erscheint, werden Sanktionen ausgesprochen. Dabei geht es oft um Alleinerziehende, die trotz verzweifelter Bemühungen keine Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder finden.“ Zudem würden viele Hartz-IV-Empfänger in den Eingliederungsvereinbarungen zu Handlungen verpflichtet, die nicht gesetzlich festgeschrieben seien.

„Ich rate in jedem Fall, einen Einspruch gegen die Sanktionen einzulegen“, erklärt Vogel. „Oft sind die Bescheide des Jobcenters schon formal falsch, weil sie mit der heißen Nadel gestrickt werden.“