Oberhausen. Pubertät und Erwachsenwerden plagen auch Karl, Franz und Amalia aus Schillers „Die Räuber“-Premiere im Theater Oberhausen gelingt dank der Spielstärke der vier maßgeblich beteiligten Darsteller.

Emotion, Sehnsucht, Leidenschaft, Radikalität. Sturm und Drang. Zwei Brüder konkurrieren um die Gunst ihres Vaters und die Liebe einer jungen Frau. Sie rebellieren, wollen Veränderung und sind doch noch gefangen im System, das sie prägte. Ewig jung bleiben, die Problematik von Pubertät und Erwachsenwerden plagen auch Karl, Franz und Amalia aus „Die Räuber“ von Friedrich Schiller.

Auch, weil es als Pflichtlektüre im Deutschunterricht auf dem Lehrplan steht, hat Regisseur Karsten Dahlem das Drama in Oberhausen inszeniert. Sein auf die Familien-Tragödie konzentriertes Theatererlebnis für Zuschauer ab 15 Jahren feierte auf der Bühne im Großen Haus Premiere.

Große Geschütze aufgefahren

Ein multimediales Spektakel mit Videoeinsatz, Live-Musik, enorm viel Symbolik und einer Fülle von Stilmitteln wie Einbeziehung des Publikums, fliegendem Wechsel zwischen Erzähl- und Aktionsebene sowie zwischen Schillerscher Sprache und Alltagsslang. „Mach keine Scheiße!“, geben Vater von Moor, sein Sohn Franz und Amalia, die Schwiegertochter in Spe, Karl mit auf den Weg, der sich zum Studium nach Leipzig aufmacht. Mit einem Konfettiregen nehmen sie Abschied. Herzluftballon, Teddy und einen Picknickkorb geben sie ihm mit.

Da ist die Bühne noch in Schwarz gehalten. Der Klotz, der ein halbes Haus erahnen lässt, wandelt sich im Verlauf des Geschehens, wird zur Leinwand und zum Domizil der Familie des Grafen von Moor.

Ein Erlebnis für sämtliche Sinne

Karsten Dahlem seziert in seiner auf eine Stunde und 40 Minuten gestrafften Räuber-Inszenierung geradezu die Charaktere, was durch die Spielstärke der vier maßgeblich beteiligten Darsteller funktioniert. Die Kontrahenten Karl (Sergej Lubic) und Franz (Eike Weinreich) schaffen es, das ganze Leid junger Mannesleben, Zerrissenheit, Zweifel, Wagemut, Wut, Enttäuschung, Verzweiflung, Selbsthass aufzuspielen. Lise Wolle nutzt Dahlems Entscheidung, der Rolle der Amalia viel Raum zu geben, aus, um sich als hervorragende Schauspielerin zu empfehlen. Ihre Trauer um den tot geglaubten Geliebten Karl kommt herzzerreißend rüber, ihre hektischen Versuche, sich das Leben zu nehmen, gehen unter die Haut.

In den Kontext Familie bezieht Dahlem sogar die Räuber ein. Im wild durcheinander sprechenden Chor stoßen sie ihre persönlichen Vater-Sohn-Beziehungen aus. Graf von Moor, diese bedauernswert schwache, leicht beeinflussbare Vaterfigur, die an der eigenen Unfähigkeit zerbricht, spielt sehr überzeugend Michael Witte. Weiterer Star des Abends ist die Musik. Gregor Praml schafft mit Kontrabass, Bassgitarre und Effekten eine die Dramaturgie untermalende sowie auch steigernde Klang- und Geräuschkulisse und macht die Aufführung zum Rundum-Erlebnis für alle Sinne. Viel Beifall.

Schüler erstellen eigene Bühnenbilder 

Premiere vor der Premiere war eine Aktion von Neuntklässlern des Sophie-Scholl-Gymnasiums. Die 14- bis 16-Jährigen haben „Die Räuber“ gelesen und sich im Kunstunterricht Gedanken gemacht, wie das Stück in Szene gesetzt werden könnte. Im oberen Foyer des Theaters eröffneten sie ihre Bühnenbild-Ausstellung, bevor sie sich die Inszenierung ansahen. Eine beeindruckende Schau.

Vorweg dies: Schüler erwarten keine konservative Inszenierung, machen sich vielmehr Gedanken darüber, wie sich „antiker“ Stoff ins Heute transportieren lässt, zum Beispiel ins Ikea-Haus. „Zwischen Möbeln“ spielt die Räuber-Aufführung von Frederik, Alexander und Colin. „Eine spontane Idee“, sagen sie. „Der Manager-Raum, wo der Chef drin sitzt“ ist das Schloss des Grafen von Moor. Amalia ist seine Sekretärin, Franz sein Stellvertreter, die Räuber sind „normale Angestellte“.

Ein Bühnenbild namens "Müllstadt"

Als chaotisches „Höhlensystem mit Räuberverstecken“ stellen sich Lukas, Tim und Dominik die Kulisse vor. Die Darsteller würden, des Kontrastes wegen, einfarbig gekleidet auftreten. „Müllstadt“ nennen sie ihren Bühnenbild-Vorschlag.

„Vorstadt“, das Modell von Laura, Sophie, Katharina und Aleyna, verbannt die Räuber ins Ghetto. „Wir haben eine kriminelle Gasse eingebaut, wo manchmal jemand umgebracht wird.“ Die Räuber-Waldhütte ist mit Farben besprüht, die Darsteller sind „Typen mit moderner Kleidung“. Ob mit Drehbühne, in knalligen Farben oder als Piraten-Szenerie von Fabian und Jens sorgfältig konstruiert im Playmobil-Stil – alle Arbeiten sind handwerklich hervorragend umgesetzt und stimmen nachdenklich. Einige von den jungen Leuten sagen übrigens nach der „echten“ Vorstellung: „Da müsste man noch mal reingehen.“