Oberhausen. . Langzeitarbeitlose sollen in den ersten sechs Monaten eines neuen Jobs weniger als 8,50 Euro verdienen – das sieht die Kabinettsvorlage zum Mindestlohn vor. Die Gewerkschaften laufen gegen diese Ausnahme Sturm. Der Unternehmverband dagegen sieht darin eine niedrige Schwelle für den Einstieg in Arbeit.
Die Gewerkschaften in Oberhausen laufen Sturm gegen die geplanten Ausnahmen für Langzeitarbeitslose beim Mindestlohn. Bereits beim gestrigen Arbeitnehmerempfang klang der Protest an, bei der heutigen Maikundgebung wollen die Gewerkschafter ihren Forderungen lautstark Nachdruck verleihen. Allein in Oberhausen wären rund 6700 Menschen davon betroffen.
„Wenn sie nach der Arbeitslosigkeit einen neuen Job finden, dürfen Chefs ihnen nach der Einstellung deutlich weniger zahlen als den gesetzlichen Stundenlohn von 8,50 Euro. Und das sechs Monate lang – ein Unding“, sagt Yvonne Sachtje, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten im Ruhrgebiet. Der hiesige Unternehmerverband hält dagegen: „Ein Mindestlohn ohne Ausnahmen und Differenzierungen schadet den Schwächsten am Arbeitsmarkt“, sagt deren Sprecher Matthias Heidmeier.
Großer Wermutstropfen
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro auf Bundesebene zum 1. Januar 2015 ist nach Ansicht der Gewerkschaften ein großer Erfolg. Davon würden zahlreiche Beschäftigte – insbesondere im Bäckerhandwerk und bei den Backshops – profitieren, so Sachtje. „Dass die geplante Lohnuntergrenze für Langzeitarbeitslose nicht gelten soll, ist allerdings ein Wermutstropfen.“ Für die NGG-Geschäftsführerin gibt es dabei keinen nachvollziehbaren Grund, gerade Langzeitarbeitslose von der geplanten einheitlichen Lohnuntergrenze auszunehmen.
Damit werde der Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ unterlaufen, schlägt Henrike Greven, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim-Oberhausen, in die gleiche Kerbe.
Gesetz geht noch in den Bundestag
Bisher liegt eine Kabinettsvorlage der schwarz-roten Bundesregierung über die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes zum 1. Januar 2015 vor.
Während der parlamentarischen Beratungen im Bundestag kann der Entwurf noch geändert werden.
Wenn es bei der Ausnahme bliebe, drohe ein regelrechter Drehtüreffekt. Dann würden, so die Befürchtungen der Gewerkschafter, Langzeitarbeitslose für sechs Monate zu Dumpinglöhnen beschäftigt und von Betrieben anschließend wieder nach Hause geschickt. „Wenn Ausnahmen erlaubt sind, dann werden sie auch schamlos genutzt“, glaubt Greven an den schlimmsten anzunehmenden Fall.
„Langzeitarbeitslose werden so zu einer ‘Niedriglohnreserve’ degradiert“, befürchtet auch Sachtje. Billige Langzeitarbeitslose könnten sogar ausgenutzt werden, „um reguläres Personal zu ersetzen“. Um diesen Verdrängungswettbewerb beim Mindestlohn zu verhindern, müsse die Ausnahme vom Tisch.
Diese Kritik will der Unternehmerverband nicht ohne Entgegnung im Raum stehen lassen. „Langzeitarbeitslose oder Menschen, die sich etwas hinzuverdienen wollen, werden ihrer Chancen auf einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt beraubt. Gerade jungen Menschen kann der Mindestlohn Beschäftigungschancen verbauen“, sagt deren Sprecher Matthias Heidmeier.
„Mindestlohn kostet Jobs“
„Dann zum Beispiel, wenn Aushilfstätigkeiten attraktiver vergütet werden als Arbeit in Projekten, die wenig qualifizierte Jugendliche erst zu einer Ausbildung führen sollen.“ Zur Wahrheit gehöre, dass ein allgemeiner Mindestlohn Jobs kosten wird. „Wenn der gesetzlich verordnete Einstiegslohn höher ist als die Produktivität der Arbeit, haben Unternehmen ein Problem. Es muss alles bezahlbar sein.“
Einen Drehtüreffekt erwartet Heidmeier nicht. „Kein Unternehmen wird einen Mitarbeiter vor die Tür setzen, der gute Arbeit geleistet hat.“