Oberhausen. . Nader Aslamjar kam mit 20 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Der 64-jährige Hausarzt hat das Land lieben gelernt. Nun hat der Sterkrader Arzt seine Geschichte aufgeschrieben – und seine Meinung zu Thilo Sarrazin: „Sein Buch wurde nur wegen zwei, drei dummer Aussagen verteufelt.“
Ein junger Kerl mit einem ordentlich gekämmten Scheitel, gekleidet in Anzug und Krawatte. Heute würde sich wohl kein 20-Jähriger im Alltag so anziehen. Aber so sah Nader Aslamjar aus, als er 1969 zum ersten Mal deutschen Boden betrat. Deutschland und er – das ist eine fast schicksalhafte Verbindung. Schon als kleiner Junge in seiner afghanischen Heimatstadt Kabul ging Aslamjar auf eine deutsche Schule, spielte im Schultheater später sogar den Mephisto in Goethes „Faust“.
Jetzt hat Nader Aslamjar, mittlerweile 64 Jahre alt und niedergelassener Arzt in Sterkrade, ein Buch über sich und sein Leben mit den Deutschen geschrieben. Es heißt „Scheißdeutschland? Nein, mein liebstes Land.“ Anhand lustiger Anekdoten habe er zeigen wollen, wie sein „Prozess der Deutschwerdung“ abgelaufen sei, sagt Aslamjar. „Das Buch ist eine Art Dankeschön an Deutschland – und an jene Deutschen, die mich unterstützt haben.“
Deutsche waren immer hilfsbereit
Er erzählt unter anderem von der deutschen Familie, die ihn als jungen Studenten in Münster spontan bei sich zu Hause aufnahm. Die Deutschen die in Nader Aslamjars Leben traten, waren immer gute Menschen. „Viele sagen, ich sei ein Glückspilz, weil ich so viele positive Erfahrungen gesammelt habe. Aber ich glaube, dass ich nicht der Einzige bin“, sagt Aslamjar, der sich selbst als Fan von Deutschland bezeichnet: „Wenn man die Politik oder das soziale System Deutschlands mit dem anderer Länder vergleicht, kann kaum jemand mithalten.“
Dabei wäre Deutschland-Fan Aslamjar fast Afghane geblieben. Denn nachdem er sein Studium abgeschlossen hatte, arbeitete er zwar noch einige Jahre in Deutschland, ging 1982 aber zurück nach Kabul. Dort arbeitete Aslamjar als Dozent an der Universität und würde es vielleicht noch heute tun – wenn die politische Situation 1989 nicht zu unruhig geworden wäre. In den 1980er Jahren war Afghanistan von sowjetischen Truppen besetzt. Doch als die rote Armee 1989 abzog, wurde Afghanistan immer unsicherer – Aslamjar musste das Land verlassen. „Es wurde einfach zu gefährlich“, erinnert er sich.
Beitrag zur Integrationsdebatte
In seinem Buch geht es aber nicht nur um die persönliche Geschichte des Sterkrader Arztes – Aslamjar sieht das Werk auch als Beitrag zur Integrationsdebatte. „Ich gehe den umgekehrten Weg von Thilo Sarrazin. Er spricht als Deutscher über Einwanderer, während ich als Einwanderer über Deutschland spreche.“ Sarrazins Analysen im Buch „Deutschland schafft sich ab“ stehe er aber nicht grundsätzlich feindlich gegenüber: „Vieles von dem, was er sagt, ist richtig. Leider hat das Buch keine anständige Diskussion ausgelöst. Stattdessen wurde es nur wegen zwei, drei dummer Aussagen verteufelt.“
Die Sprache macht den Unterschied
Auch Nader Aslamjar empfindet die deutsche Einwanderungspolitik noch nicht als perfekt: „Deutschland muss akzeptieren, dass es ein Einwanderungsland ist, wahrscheinlich das bedeutendste in ganz Europa.“ Allerdings schreibt er auch den Einwanderern selbst kein perfektes Zeugnis aus: „Ich kenne hier Familien, die haben nie gearbeitet. Das löst bei den Deutschen natürlich zurecht Unmut aus.“ Am wichtigsten sei es aber, die deutsche Sprache zu beherrschen. „Wenn die Menschen früher gemerkt haben, dass ich Deutsch spreche, waren alle sehr freundlich. Da merken sie, dass man es ernst meint.“