Oberhausen. Mit 86 Jahren wagt der Oberhausener Rentner Fritz Beierlein noch einmal einen Neuanfang: Er hat genug vom Leben im Grünen und zieht ins Pacelli-Quartier in Alt-Oberhausen. Den Ausschlag gab vor allem der lange Winter 2012, der immer wieder Schnee und Glatteis brachte und ihn von der Außenwelt isolierte.
Der Winter 2012, der sich bis tief in den März hingezogen, Schnee, Kälte und vor allem immer wieder Glatteis gebracht hatte, der war es, der für Fritz Beierlein den Ausschlag gegeben hatte: „Raus aus dem Grünen, rein in die City.“ Bald, Mitte Mai, zieht der mittlerweile 86-Jährige vom beschaulichen Romgesweg in Alstaden an die Ecke Christoph-Schlingensief-/Helmholtzstraße – und freut sich: „Was immer ich brauche, ist praktisch vor der Tür: Markt, Geschäfte, alte Kumpel, Cafés, Kneipen, Restaurants.“
Und: „Ich hab’ ja eigentlich immer zentral gewohnt.“ In der Tat: Marktstraße, Markt-/Nohlstraße, Styrumer Straße und Bismarckstraße waren die Stationen, die nun ihren Endpunkt finden sollen.
Wohnung in Alstaden sollte die letzte Station werden
Dass er in seinem Leben nochmals umziehen würde, hätte er nicht gedacht, bekennt der Grafiker und Maler freimütig: „Auf keinen Fall! Die über hundert Quadratmeter am Romgesweg sollten meine letzte Station werden.“
Ist auch schön, die einst als Hochzeitsgeschenk für den Filius gedachte Eigentumswohnung am Romgesweg, aber der Nachteil stellte sich heraus, als Beierlein neue Knie brauchte und bekam: „Man ist dann ja nicht mehr ganz so flink und hurtig.“
Der Winter gab den Ausschlag
Bis zu den Einkaufsmöglichkeiten in Alstaden oder Styrum (Mülheim-Styrum!) wird es für Fußgänger zu weit, wenn auch noch die Busverbindungen dünner, die Wege zu Haltestellen beschwerlicher werden. Und dann so ein Winter! „Das war für mich der Ausschlag“, denkt er „mit Grauen“ zurück an manche Tage.
„Ich fühlte mich von der Außenwelt regelrecht abgeschnitten, auch wenn Sohn und Schwiegertochter zwischendurch mal kamen und einmal in der Woche die Zugehfrau. Für mich hatte ich nicht nur das Gefühl, sondern eben auch die Gewissheit, nicht mehr nach draußen und in die Welt zu können. Klar, Taxi, aber sonst?“
Lange Warteliste
Da gab es schon die Anfänge des Pacelli-Quartiers, das schließlich noch einen weiteren Bauabschnitt bekam, für den Beierleins Anfrage gerade rechtzeitig kam. Denn: Die Warteliste ist beträchtlich geworden und ist immer noch nicht komplett abgearbeitet. Seniorenwohnen in der Innenstadt, es ist trendy geworden.
Das Hauptproblem dabei ist stets sofort formuliert – und ein Stück verniedlicht: „Kleiner setzen“, sagt auch Beierlein, „sagen alle, aber mach das mal. Steck’ mal ein Leben ab.“ Ein Leben zumal, das Grafiker und Maler schlecht in die Hüllen eines Albums packen können. Kürzlich waren mit Erwin Polny ein alter Weggefährte und mit Hans-Georg Leinweber der aktuelle Vorsitzende der Alten Oberhausener Karnevalsgesellschaft Weiß-Rot bei ihm: „Denen habe ich eine Menge Zeichnungen und Entwürfe zu Karnevalswagen mitgegeben für das geplante Karnevalsmuseum“, ist Beierlein froh, sich von einem Teil des Geschaffenen getrennt zu haben.
Organischer Rückzugsplan
Er hat sich einen sorgsam organisierten „Rückzugsplan“ gebastelt: „Die Leute von ‘Flickwerk’ haben bereits jene Möbel abgeholt, die ich nicht mehr werde stellen können, bei der Caritas kann ich anrufen, um einen Teil der Garderobe abholen zu lassen, die ich nicht mehr brauche.“ Aber wohin mit der Kunst? Da schaut er ein wenig mit einer Mischung aus Wehmut und Trauer.
Auf keinen Fall weggelegt wird das Zeug zum Zeichnen: „Ich krieg’ ja ständig Anfragen für Geburtstage und Jubiläen, von Karnevalsvereinen oder Firmen, für Glückwünsche, Kalender und Karikaturen.“ Entsprechend weiß er auch schon genau, wo er seine Staffelei hinstellt, wohin der Zeichenblock kommt, wo welcher Tisch steht: „Da hab’ ich keine Bange.“
Viel für die Genossen gepinselt
Dass er, der einst auch viel „für die Genossen gepinselt“ hat, ausgerechnet da wohnen wird, wo früher der Pfarrer von Herz Jesu einen Wohnsitz hatte, erzählt er schmunzelnd: „Ist doch irgendwie gelungen. Und gegen Glocken hab’ ich nichts.“