Oberhausen. Der charakteristische, leicht süßlich-scharfe Chlorgeruch liegt in der feuchtwarmen Luft. Stille. Die Oberfläche der drei mit Wasser gefüllten Becken ist nahezu spiegelglatt. Ein Mann steht einsam hinter einer großen Glasfront. „So ist es am schönsten“ schwärmt Jörg Hetkamp, der Schwimmmeister.

Der charakteristische, leicht süßlich-scharfe Chlorgeruch liegt in der feuchtwarmen Luft. Stille. Die Oberfläche der drei mit Wasser gefüllten Becken ist nahezu spiegelglatt, nur kleine Wellen kräuseln sich in Richtung Ränder. Ein Mann steht einsam in einem Raum hinter einer großen Glasfront. „So ist es am schönsten“ schwärmt Jörg Hetkamp, der Schwimmmeister, mit einer frischen Tasse Kaffee in der Hand, während sein Blick durch die leere Schwimmhalle wandert. Plötzlich eine Bewegung auf den Überwachungsmonitoren in der Ecke des Raums. „Dann wollen wir sie mal reinlassen.“

Es ist 6.30 Uhr. Mindestens 15 Personen, die meisten von ihnen Rentner, stehen in einer Schlange vor dem Drehkreuz zu den Umkleidekabinen. Unruhig, aber geordnet auf Einlass wartend. „Sonst dürfen wir schon um fünf vor halb rein!“ sagt einer von ihnen mit einem leicht nervösen Ton in der Stimme. Endlich wird das Drehkreuz freigegeben. Es startet augenblicklich ein Rennen um ein Privileg, das täglich neu vergeben wird: Die erste Person im Wasser zu sein, den Spiegel zu zerbrechen.

Das Wasser kaputt machen

„Das Wasser kaputt machen“, so nennen sie das Ritual, das einzig dem Schnellsten vorbehalten ist, nach ihm wird das Wasser den ganzen Tag nicht mehr so unberührt sein. Der Morgen ist auch die Zeit, zu der das Schwimmbad durch die Badegäste zweckentfremdet scheint, denn wirklich schwimmen tun nur die wenigsten. Noch paarweise gekommen, klammern sich nun Herren und Damen getrennt in kleinen Gruppen an den Beckenrand und schwatzen. Über Politik, Fußball, Tratsch und Klatsch. Einige Wenige schnallen sich blaue Schwimmgürtel um den Bauch und strampeln durchs Wasser. „Hört mal, was macht ihr denn da? Das ist ein Schwimmbad! Aber hier wird ja mehr gehangen und gelaufen als geschwommen!“, ruft Jörg ihnen mit einem Grinsen im Gesicht zu. Sie kennen sich untereinander, viele um die Uhrzeit sind Stammbadegäste.

Gegen 11 Uhr trudeln die ersten Familien ein, die sich überwiegend im Lehrschwimmbecken breitmachen. Mit ihrer Ankunft steigt auch die Nachfrage nach Spielzeug deutlich. Schwimmnudeln gehen besonders gut, gefolgt von Brettern. Die wenigen Tauchbrillen und Tauchringe sind schnell vergriffen. Plötzlich wird es auch zur Aufgabe des Schwimmmeisters, kryptische Botschaften zu entschlüsseln.

Kryptische Botschaften

Ein Kind kommt zum Schwimmmeisterraum und sagt „Ring“, was sinngemäß übersetzt so viel bedeutet wie „Kann ich mir bitte einen Tauchring ausleihen?“ „Kann ich Ring?“ ist schon das höchste der Gefühle. An dieser Stelle bricht der Pädagoge in Jörg Hetkamp durch, den Tauchring gibt es nur, wenn der Satz richtig formuliert und mit Zauberwort versehen wird. Manchmal antwortet er auch „Einen Ring? Willst du heiraten?“ Und das Kind guckt nur fragend, nickt dann aber begeistert.

Aus den vor wenigen Stunden noch spiegelglatten Becken sind mittlerweile brodelnde Suppentöpfe geworden. In der Schwimmhalle ist es laut. Eine Mischung aus Kinderlachen und wildem Geschrei. „Jacqueline, was hat die Mama dir gesagt? Nicht ins tiefe Wasser gehen! Jacqueline, ich zähle bis drei! Kommst du her!“

Mädchen beeindrucken

Jörg ist nun gut damit beschäftigt, Kinder davon abzuhalten vom Beckenrand zu springen, auf den Leinen zu turnen oder durch die Schwimmhalle zu rennen. In der Ecke bei den Sprungtürmen veranstaltet eine Gruppe Jugendlicher ihre eigene Turmspring-Weltmeisterschaft. Junge Männer versuchen, die Mädchen mit Kopfsprüngen und Salti zu beeindrucken, zwischen ihnen immer wieder kleine Kinder, die sie unter den panischen Blicken ihrer Mütter und Väter nachahmen wollen. Etwa eine halbe Stunde vor Ende der Badezeit kehrt langsam wieder Ruhe ein.

Einige Schwimmer ziehen noch stur ihre Bahnen. „Das ist tatsächlich die anstrengendste Phase des Tages, wo einfach nichts passiert“ sagt Jörg. „Am meisten Spaß macht mir mein Beruf, wenn richtig was los ist.“ Und als die letzten Badegäste das Wasser verlassen haben, liegt bewusst oder unbewusst wieder der charakteristische süßlich-scharfe Chlorgeruch in der Luft und die Wellen kräuseln sich langsam über das nahezu spiegelglatte Wasser in Richtung Beckenrand.