Oberhausen. Anneliese Brodmann war keine sieben Jahre alt als der zweite Weltkrieg begann - ihre Kindheit war mit einem Schlag beendet. „Wir sind in die Angst reingewachsen“, erzählt sie. Doch immerhin überlebte sie den Krieg. Ihr kleiner Bruder hatte weniger Glück.

Anneliese Brodmann hatte eine unbeschwerte Kindheit – bis der Krieg kam und mit ihm die Fliegeralarme, die Bombennächte, der Hunger. „Wir sind in die Angst reingewachsen. Es wurde immer schlimmer. Erst nach dem Krieg sind wir eigentlich wieder aufgelebt“, erinnert sich die 82-Jährige.

Geboren wurde sie am 24. Dezember 1932, in Gahlen bei Schermbeck. Sie war die älteste von vier Geschwistern. 1940 zog die Familie um nach Sterkrade, an die Waldteichstraße. „Mein Vater arbeitete damals bei der Gutehoffnungshütte.“ Es war das Jahr, als die nächtlichen Luftangriffe auf das Rhein-Ruhr-Gebiet begannen. Das Ruhrchemiewerk in Oberhausen gehörte zu den Zielen.

Hab und Gut verloren

„Wenn Alarm war, flüchteten wir ganz schnell in den Keller. Einmal war eine Druckwelle so heftig, dass wir für Stunden verschüttet waren. Alles war dunkel. Männer haben uns befreit. Das kann ich nicht vergessen. Später mussten wir immer in einen Stollen der nahe gelegenen Zeche“, sagt Brodmann. 1942 lag ihr Bruder Adolf im Josefshospital. „Er hatte Scharlach und sollte eigentlich am nächste Tag entlassen werden. Als die Bomben fielen, wurden alle Patienten in den Keller gebracht. Ihn hat man vergessen.“ Ob der Achtjährige durch Splitter tödlich getroffen wurde, weiß seine Schwester nicht mehr. Der Junge starb am 9. März 1942. „Meine Eltern waren fix und fertig.“

Von regelmäßigem Schulbesuch konnte in der Zeit schon nicht mehr die Rede sein. „Wenn Alarm war, wurden wir nach Hause geschickt.“ Bis November 1944 blieb das Wohnhaus der Familie noch verschont. „Dann bekam es einen Volltreffer ab. Wir hatten nichts mehr, Möbel, Kleidung, Wertgegenstände, Fotos – es war alles weg. Es gab nur noch das Familienstammbuch, das meine Mutter immer mit in den Stollen nahm.“

Bombennächte

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Flucht nach Sachsen-Anhalt

Die Familie erhielt eine Bescheinigung. In der heißt es: „Die Familie ist nach dem Luftangriff vom 21.11.1944 total geschädigt. Ich halte die Arbeitsbefreiung für Frau Elisabeth Speidel für erforderlich. Unterzeichnet: Der Polizeipräsident.“

„Mein Vater war damals Soldat. Unsere Mutter und wir drei Kinder wurden evakuiert und nach Frose in Sachsen-Anhalt gebracht. Wir wohnten erst bei einem Bauern. Meine Mutter half bei der Arbeit, dafür gab’s Essen, nicht immer genug, aber wir kamen irgendwie durch. Ich ging auch wieder zur Schule. 1953 kehrten wir wieder ins Ruhrgebiet zurück.“

Ein Trauma habe sie wohl nicht erlitten, meint Anneliese Brodmann im Rückblick. „Aber ich weiß, was Menschen in einem Krieg durchmachen.“