Oberhausen.. Ein unerwarteter Einbruch millionen-schwerer Aufträge an das Oberhausener Werk MAN Diesel & Turbo zwingt die Werksleitung dazu, Kurzarbeit ab Mai anzuordnen. Immerhin 200 von 700 Produktionsmitarbeitern müssen zwangsweise weniger arbeiten – und haben dann plötzlich deutlich weniger Geld.
Das Sterkrader Turbinen- und Verdichter-Werk MAN Diesel & Turbo mit 2000 Arbeitnehmern steckt nach Aussage der Werksführung in seiner schwersten Krise seit 25 Jahren – und muss ab Mai Kurzarbeit verordnen.
„Seit 1990 haben wir keine so schwierige Situation mehr gehabt wie derzeit“, sagt der seit gut einem Jahr als Werksleiter und Chef der Prozessindustrie-Sparte von MAN Turbo & Diesel fungierende Jürgen Vinkenflügel im Gespräch mit der WAZ. „Mit einem so schnellen und massiven Einbruch der Auftragseingänge haben wir nicht gerechnet.“
Ein Dreifachschlag für die Branche
Für das vergangene Jahr hatte man mit einem Zuwachs von fünf Prozent kalkuliert – tatsächlich verbuchte das Werk ein Minus von 20 Prozent. „Unsere Auftraggeber haben überraschend Investitionen zurückgestellt“, gibt Vinkenflügel an. „Das trifft die gesamte Branche.“
Und das gleich mit einem Dreifachschlag: Erstens verzichtet Europa auf den Bau neuer Kohle- oder Gaskraftwerke, für die MAN Turbo Dampfturbinen baut, weil sich fast alle Länder mit der Energiewende hin zu regenerativer Stromproduktion beschäftigen und deshalb abwarten; zweitens verdienen Raffinerien mit der Veredelung von Öl zu Benzin kaum noch Geld – und zögern mit ihren Investitionen in Anlagen mit Verdichtern; und drittens macht China nach zuletzt großer Kaufwelle von leistungsstarken neuen Verdichtern für die Verflüssigung von Kohle zu Benzin erst mal eine Investitionspause, um Erfahrungen damit zu sammeln.
Nun sollen an der Steinbrinkstraße 200 Mitarbeiter von insgesamt 2000 in Kurzarbeit gehen: Betroffen ist nur die 700-Mann-starke Produktion – was in den Werkshallen für Unmut sorgt, weil die Bürokollegen noch verschont werden.
Auftragsschub aus China erhofft
Schwierig zu vermitteln für die Werksführung ist es auch, dass der Arbeitsanfall durch die langen Herstellungszeiten der Produkte (im Schnitt 18 Monate) auch in der Krise sehr unterschiedlich ist. „In einigen Teilen geht uns die Arbeit aus, in anderen müssen wir noch Überstunden fahren“, sagt Vinkenflügel.
Der Manager geht nicht von einem schnellen Ende der Krise aus, hofft aber auf einen Auftragsschub aus China zum Jahresende. Keine Arbeitszeit eingespart werden soll bei der Erstellung von Angeboten, um neue Aufträge hereinzuholen, und bei der Forschung, um Kosten bei der Erstellung der Turbomaschinen zu senken. „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, in dieser Lage versucht die Branche, über den Preis Aufträge zu holen.“
Die Kurzarbeit im Oberhausener MAN-Turbo-Werk ist ab Mai für sechs Monate beantragt. Wer von Kurzarbeit betroffen sein wird, wird vor Ort ausgewählt – auch nach sozialen Kriterien. Die betroffenen Arbeiter müssen doppelt verzichten: Keine Überstunden mehr und nur noch 60/67 Prozent (ledig/verheiratet) des Nettolohns von der Arbeitsagentur.
Nicht zu Kündigungen gegriffen
Damit der Verlust nicht so hoch ausfällt, denkt man bei MAN an einen von allen Beschäftigten im Werk mitfinanzierten Zuschlag aufs gesetzliche Kurzarbeitergeld nach. Das ist aber intern nicht unumstritten.
„Am Freitag und Montag sind die Belegschaften persönlich von Werksführung und Betriebsrat informiert worden. Die Art fanden viele gut“, sagt Martin Wiegand vom Betriebsrat. „Im gewerblichen Bereich fragt man sich aber, warum müssen gerade wir daran glauben?“ Wegen der komplexen Materie Kurzarbeitergeld erwartet Oberhausens MAN-Turbo-Personalleiterin Christina Hauf nun einen Haufen Anfragen der Mitarbeiter.
Positiv wird bewertet, dass MAN nicht zu Kündigungen gegriffen hat. „Wir sind sehr stolz auf die Qualität der Belegschaft und wollen unsere Stamm-Mannschaft über die Krise hinweg erhalten“, sagt Vinkenflügel. Das bewährte Mittel dafür ist eben der Einsatz der Kurzarbeit über einen begrenzten Zeitraum.