Oberhausen. Ungerechtigkeit in Arztpraxen? Eine Oberhausenerin wurde bei drei Orthopäden abgewiesen, weil sie gesetzlich versichert ist. Das dürfe nicht sein, so die Kassenärztliche Vereinigung. Eine Zwei-Klassen-Medizin gebe es allerdings nicht. Die AOK fordert von den Praxen eine bessere Informationspolitik.

Als die Oberhausenerin Hannelore N. (Name der Redaktion bekannt) sich mit akuten Rückenschmerzen an ihren Orthopäden wandte, ahnte sie noch nicht, was ihr bevorstand. „Ich konnte nachts vor Schmerzen nicht mehr schlafen“, erinnert sie sich. Auch aufrecht gehen sei nur unter größter Anstrengung möglich gewesen.

Der Anruf beim Orthopäden brachte nicht die erhoffte Linderung, im Gegenteil: „Die Sprechstundenhilfe fragte zunächst nach meiner Versicherung. Als ich ihr gesagt habe, dass ich gesetzlich versichert bin, wies sie mich mit den Worten ab, dass in absehbarer Zeit keine Kassenpatienten mehr genommen werden.“

Patienten beurteilen Dringlichkeit anders

Auch bei zwei weiteren Orthopäden wurde sie abgewiesen, bis sie schließlich in Duisburg einen Arzt fand, der sie auch als Kassenpatientin behandeln wollte. „Dass Patienten abgewiesen werden, darf einfach nicht passieren“, sagt Stephan Becker von der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberhausen auf NRZ-Anfrage.

„Zugelassene Kassenärzte müssen auch Kassenpatienten behandeln.“ Er rät der Oberhausenerin, sich mit dem Fall an die Ärztekammer oder die Kassenärztliche Vereinigung zu wenden. „Wir gehen dem Fall nach.“ In Oberhausen sei N. die erste Patientin, die wegen ihrer Versicherung bei einem Facharzt abgelehnt wurde. Lediglich von einem Bottroper Orthopäden habe er gehört, der ähnlich mit Kassenpatienten verfahre.

Gleichwohl sehe er darin keine Indizien für eine Zwei-Klassen-Medizin, erklärt Stephan Becker: „Es kann vorkommen, dass Patienten die Dringlichkeit ihres Leidens anders beurteilen als der behandelnde Arzt.“

"Mehr Transparenz" im Wartezimmer

Als „Unding“ empfindet Hans-Werner Stratmann, Chef der Oberhausener AOK, die Angelegenheit und rät Hannelore N., zumindest ihre Krankenkasse davon in Kenntnis zu setzen.

Die Debatte, ob Kassenpatienten tatsächlich Patienten zweiter Klasse sind, sei so alt wie die Privatversicherung selbst, so Stratmann. Fest stehe: „Eine Patienten-Befragung der Kassenärztlichen Vereinigung hat ergeben, dass gesetzlich Versicherte bei der Terminvergabe oft wesentlich länger warten müssen.“ Um dieses Ungleichgewicht zwischen Privat- und Kassenpatienten auszugleichen, biete die AOK ihren Kunden an, sich bei Bedarf an sie zu wenden. „Wir vereinbaren dann den Facharzttermin.“

Auch die Wartezeit im Wartezimmer sei ein Problem und müsse besser organisiert werden. Stratmann: „Es muss mehr Transparenz her. Die Leute müssen wissen, warum sie länger warten müssen.“ So sollten die Praxismitarbeiter zum Beispiel die Patienten informieren, wenn ein Notfall zwischengeschoben werden muss und sich Termine nach hinten verschieben. „Kein Mensch würde darauf mit Unverständnis reagieren.“