Oberhausen. Regisseur Martin Kindervater gelingt beeindruckende Übersetzung des Bestsellers für die Bühne.

„Angst“, lecker gekocht für alle Sinne hat Regisseur Martin Kindervater das Familien-Psychodrama des Bestseller-Autors Dirk Kurbjuweit fürs Theater. Geschmeckt hat der Stoff um den Psycho-Terror, den eine bürgerliche Mittelklasse-Familie erlebt, besser auf der Bühne als beim Lesen der Geschichte. Die Uraufführung des Erfolgsromans im Malersaal des Oberhausener Theaters ist gestrafft und auf das Wesentliche der Buchvorlage konzentriert. Und: Niemals Hunger haben, bevor Sie diese Aufführung sehen.

Ob Roman gelesen oder nicht, das Publikum war von der Premiere der „Angst“-Uraufführung sehr angetan. Im Gegensatz zum Buch kommt nicht nur Randolph (sehr überzeugend: Jürgen Sarkiss), seines Zeichens Familienoberhaupt und Haupt-Opfer der Story, zu Wort. Es erzählen und agieren auch die, von denen Randolph berichtet: seine Frau Rebecca (trotz Erkältung wunderbar: Elisabeth Kopp) und Bruder Bruno (als sympathisches Gegenteil des Opfers den Zuschauer für sich einnehmend: Peter Waros).

Das Geständnis, das Randolph seiner Frau noch schuldet und umständlich formuliert, bekommt der Zuschauer der Bühnenfassung auch erst am Schluss serviert. Das Stück ist spannend wie ein Krimi. Die Geschichte des Terrors fesselt.

Zu Gast im Familienleben

Der „Untermieter“, der die Familie ständig attackiert, taucht nur einmal auf, in einer faszinierend von Sarkiss gespielten Begegnung zwischen Täter und Opfer.

Der Zuschauer ist zu Gast im Familienleben, genauer: in der Wohnküche. Motto: Du bist, wie du dich einrichtest und wie du isst. Es spielt ja eine wichtige Rolle fürs Renommee, wie stylisch man sich gibt. Gekocht wird unentwegt, es brutzelt und duftet.

In diesem Psychogramm einer Tat geht es um verschiedene Angst-Phänomene: Angst vor dem unbekannten Bösen, Angst vor dem Zusammenleben mit dem Partner, Angst vor der eigenen Courage, Angst, den guten Ruf zu verlieren, Angst um den erreichten Wohlstand, Angst vor den Konsequenzen der Wahrheit.

Martin Kindervater, der in der vergangenen Spielzeit mit „Bartsch., Kindermörder“ Aufsehen erregte, beweist mit der „Angst“-Inszenierung erneut riesiges Talent für Charakter-Sezierung.