Oberhausen. .

Die Schüler der 5 d sitzen ruhig auf ihren Stühlen und schauen nach vorne zu Gabriele Hawig. Englisch steht auf dem Stundenplan. „Switch into English“, fordert die Klassenlehrerin ihre Schützlinge auf, merke: Ab jetzt sollen sich alle nur noch in der Fremdsprache verständigen, soweit es eben geht.

Die Gruppe ist recht übersichtlich – was einerseits daran liegt, dass ein Grippevirus zugeschlagen hat, andererseits aber daran, dass die Klasse ohnehin vergleichsweise klein ist: Nur 22 Namen stehen auf der Liste von Gabriele Hawig. Weil die 5 d die erste integrative Lerngruppe an der Anne-Frank-Realschule ist. In der Klasse werden 17 so genannte Regelschul-Kinder, dazu gehört auch ein sehbehinderter Schüler, und fünf lernbehinderte Kinder gemeinsam unterrichtet.

Recht auf Regelschule

Die Realschule in der Innenstadt und die Gesamtschule Osterfeld haben sich in diesem Schuljahr auf den Weg zur schulischen Inklusion gemacht. Das von den Vereinten Nationen vorgegebene Ziel: Alle Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, egal ob nun körper-, lern-, geistig oder anders behindert, sollen das Recht haben, an einer Regelschule unterrichtet zu werden.

In der Praxis vor Ort erklärt Gabriele Hawig ihren Englischschülern gerade die Aufgabe: Die Fünftklässler sollen sich in der Weltsprache ausdrücken, eine Einladung, „in English please“, am Telefon aussprechen. Also im Rollenspiel. Hawig verteilt Umschläge mit englischen Sätzen, die erstmal in die richtige Reihenfolge gebracht werden sollen. Anschließend können Leon, Jacqueline und die anderen die Dialoge proben, um diese zum Ende der Stunde der Klasse vorzustellen. Für solche offenen Unterrichtsformen hat die 5d gegenüber ihrem Klassenzimmer einen Differenzierungsraum.

Kategorie A, B und C 

Aber die Klasse wird nicht aufgeteilt im Sinne von „hier die Regelschüler und drüben die Förderschüler“, erklärt Gabriele Hawig. Das Raumangebot hilft lediglich bei den Gruppenarbeiten. Alle Kinder in der 5d werden in den gleichen Fächern unterrichtet, aber in den jeweiligen Stunden stellen die Lehrer die Aufgaben auf unterschiedlichen Niveaus. Wie in der Englischstunde, in der in den Umschlägen Aufgaben der Kategorie A, B und C stecken. „Das machen wir so, damit alle die Anforderungen bewältigen können und ein Erfolgserlebnis haben“, sagt die Englischlehrerin. „Es ist aber auch nicht unbedingt so, dass die Förderschüler die leichtesten Aufgaben bekommen“, ergänzt Hawig.

Mit „wir“ meint die Klassenlehrerin sich und Melanie Thum, sonderpädagogische Fachkraft, die zwölf Stunden in der Woche an der Anne-Frank-Realschule eingesetzt wird und ansonsten als Lehrerin an der Stötznerschule in Oberhausen, einer Förderschule, unterrichtet. In der Englischstunde sitzt Melanie Thum zwischen den Schülern, während Hawig vor der elektronischen Tafel den Stoff erklärt. Als die Übungsphase beginnt, geht die Sonderpädagogin in der Klasse herum und steht für Fragen zur Verfügung.

Das gleiche Pensum

„Wir arbeiten nach dem Modell Teamteaching“, erklärt Schulleiterin Ursula Niemann, „das bedeutet, beide Lehrer sind für alle Schüler zuständig, die Sonderpädagogin kümmert sich also nicht nur um die lernbehinderten Kinder“. „Zielgleich“, wie es im Schulverwaltungs-Deutsch heißt, werden die Kinder der Klasse 5d nicht unterrichtet. Während die Regelschüler den Realschulabschluss anstreben, können die Förderschüler den Hauptschulabschluss nach Klasse neun oder den Förderschulabschluss machen. Klassenarbeiten, Lernstandserhebungen, das alles steht in der integrativen 5d genauso an, wie in den Regelklassen, „die Schüler müssen genauso ihr Pensum schaffen“, sagt Hawig und lobt die Leistungsstärke der Gruppe in Englisch.