Oberhausen. .

Einfach „Heinrich“ nennt das Theater Oberhausen sein neues Stück, zu dessen Premiere es am Freitag einlud. Was für eine bedrohliche Welt. Welche Düsternis. Menschen, die zu Tausenden als Kanonenfutter enden.

William Shakespeare beschwor es herauf, das 14. Jahrhundert. Drei Dramen widmete er Heinrich IV. und dessen Sohn, später Heinrich V. Die Essenz aller drei Stücke hatten die Dramaturgen Tilman Raabke und Judith Weißenborn versprochen.

Doch der Zuschauer bekam mehr. Wie Raabke, Weißenborn, Regisseur Tilman Knabe und die Schauspieler mit wenig Mitteln, Wahnsinnskönnen, einem begnadeten Bühnenbild (Alfred Peters) und der Wucht der Shakespearschen Sprache jene alte Welt ins Heute transportierten, das ist schon großartig.

Akteure spielen sich die Seele aus dem Leib

Die Bühne, ein schwarzes, sich nach hinten verjüngendes Rechteck. Darüber dieser geometrisch unbarmherzige Kranz aus Neonröhren. Vor diesem Hintergrund spielen sich die Akteure die Seele aus dem Leib. Erzählt wird die Geschichte Heinrich V. Wie aus Heinz Heinrich wird.

Hat er sich auch vom Vater abgewandt und in Lebemann Sir John Falstaff seinen Gegenvater gefunden, es wird schnell klar: Heinz wird dieses Leben ablegen, wie ein altes Hemd. Ja, er wird sogar Falstaff das Herz brechen, weil er mit ihm bricht.

Doch so schnell ist sie nicht erzählt, diese Geschichte voller rasanter Schnitte, bei der Spruchbänder über der Bühne die Orte der Handlung angeben. Ein Muss für den, der da durchblicken will.

Karge Mittel – geniale Ideen

Die Inszenierung der kargen Mittel wird genährt durch einen Quell genialer Ideen. Heinrich IV. (Michael Witte) und seine Getreuen kommen als Anzugträger, Marke brutaler Manager, daher. Die andere Welt, die der Poesie, ist die des Falstaff (Henry Meyer).

Auch interessant

Falstaff will gut leben. Die Manager wollen mehr, führen Kriege. Schlachten werden gezeigt: Nebel auf der Bühne. Donnernde Bombeneinschläge. Ein Zweikampf in Zeitlupe. Das Sterben des kranken Heinrich IV.: eine Bildkomposition. Diese unglaubliche Krönungszene Heinrich V., als sich das Rechteck am Ende der Bühne öffnet und im gleißenden Licht der neue König erscheint.

Rasanter Bruch nach der Pause

Dann der rasante Bruch nach der Pause. Dekadente Franzosen gegen die Heinrich V. Krieg führen wird, lassen das Geschehen beinahe ins Komische abgleiten. Wäre da nicht der junge König der plötzlich in stakkato-artiger floskelhafter Jetztzeit-Politiker-Sprache den Seinen den Krieg verkauft.

Das Gestern, so scheint es dem Zuschauer, ist unser Heute und wird das Morgen sein. Aber es gibt Hoffnung. Die liegt nicht darin, dass Heinrich die Tochter des französischen Königs heiratet und Frieden geschlossen wird. Vielmehr verkörpert sie der wiederauferstandene Falstaff, der mit schallendem Gelächter zum Schluss noch einmal allen erscheint – und damit den Sieg der Poesie besiegelt.

Drei Stunden Spannung und viel Applaus

Drei Stunden Spannung: Und ja, viel Applaus gab es nicht nur für das Team, sondern besonders auch für Schauspieler Hartmut Stanke, der seinen 70. Geburtstag auf der Bühne verbrachte. Dafür bekam er von Intendant Peter Carp einen Blumenstrauß und vom Publikum „Standing Ovations“.

„Heinrich“ steht noch am 7. und 14. Juni, jeweils 19.30 Uhr, auf dem Theaterprogramm.