Oberhausen.

Von einem, der auszog, etwas Neues zu wagen: Am Sonntagnachmittag lud Georg Immich, freier Film- und Medienjournalist, Gäste der Kurzfilmtage dazu ein, sich mit ihm auf die Spuren von Christoph Schlingensief zu begeben, des Filmemachers, Theaterregisseurs, Autors und Aktionskünstlers, dessen Karriere bereits im Kindesalter mit Kurzfilmen begann und der im August 2010 gestorben ist.

Zehn Interessenten hatten sich in die Teilnehmer-Liste eingetragen – und fanden sich tatsächlich am Treffpunkt ein. Für die erste thematische Stadtführung während des Festivals ein kleiner Erfolg für den Veranstalter.

Einen ganzen Aktenordner voller Informationen und Abbildungen im Gepäck, begann Immich seine Exkursion mit Informationen zur Geschichte Oberhausens – merkte dass ihn einige Teilnehmer seiner Führung nicht verstanden und setzte daher seine Ausführungen in englischer Sprache fort.

Christoph Schlingensief

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Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben.
Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben. © ddp | ddp
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte.
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte. © Unbekannt | Unbekannt
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes.
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes. © ddp | ddp
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel "Tunguska - Die Kisten sind da" veröffentlicht. © Unbekannt | Unbekannt
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt.
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt. © WAZ | WAZ
Die Triologie besteht aus den Filmen
Die Triologie besteht aus den Filmen "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Stunden im Führerbunker", "Das Deutsche Kettensägenmassaker" und "Terror 2000 - Intensivstation Deutschland". © Unbekannt | Unbekannt
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel:
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel: "100 Jahre CDU - Spiel ohne Grenzen". Im gleichen Jahr gründet er auch die Partei "Chance 2000". © Unbekannt | Unbekannt
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen "Talk 2000" und "U 3000". © NRZ | NRZ
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow "Big Brother", nur das Schlingensief Asylbewerber in dem Container wohnen ließ. Das Ganze sorgte über Wochen für politische Diskussionen. © ddp | ddp
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren.
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren. © ddp | ddp
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder.
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder. © ddp | ddp
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde.
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde. © AP | AP
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009.
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009. © AP | AP
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht...
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht... © ddp | ddp
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt:
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt: "Sie hat mir sehr extrem geholfen in dieser ganzen Zeit. Ohne sie wäre ich da nicht so durchgekommen." © ddp | ddp
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben.
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben. © ddp | ddp
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film "Alle Anderen". © ddp | ddp
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken" ab. Er sehe sich nicht in der Lage, die Arbeit bis zur im August geplanten Premiere fertigzustellen. Nun erlag er im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleiden. © ddp | ddp
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Wer Schlingensief als großen Sohn Oberhausens würdigen will, kann sich eigentlich nur auf die Jahre von seiner Geburt 1960 bis zum Abitur am Heinrich-Heine-Gymnasium beziehen, denn danach ging er nach München, wo er eigentlich Film studieren wollte, jedoch erst einmal mit Germanistik und Philosophie startete. Seither hatte er im Grunde in Oberhausen nur noch die Familie und Freunde. 1983 kam er zurück ins Revier und wählte Mülheim als Adresse. „Wegen des Kontaktes zu Helge Schneider?“, fragte jemand. Vielleicht. Da war selbst Immich überfragt.

Zwei Diebe klauen eine Tasche

Dass die Inschrift auf der Erinnerungstafel an der Apotheke, die einst Schlingenseifs Vater führte, nicht stimmt, gab er zu. Sie behauptet nämlich, dass Schlingensief dort von 1960 bis 2010 gewohnt habe. „Seine Mutter hat sie in Auftrag gegeben, sie wollte es so.“ Das Personal der Apotheke hatte auch etwas mit der Entwicklung des jungen Schlingensief zu tun. „Es half in der 70er Jahren immer mal aus, wenn Christoph einen Film drehte“ – zum Beispiel einen Slapstick als Achtjähriger: Zwei Diebe klauen eine Tasche, werden geschnappt, müssen ins Gefängnis, fliehen auf Kettcars, sterben bei einem Unfall.

Solche Anekdoten hatte Immich zuhauf dabei. Seine Tour mit den Stationen Altmarkt, Schlingensief­straße, Herz-Jesu-Kirche, Lichtburg-Kino, Kurzfilm-Villa, Theater, Heinrich-Heine-Gymnasium entließ die Teilnehmer mit einer Fülle von Daten und Fakten, die man nicht im Internet nachlesen kann.