Oberhausen.. Mehr als 18 Monate hat die Stadt Oberhausen nach einem geeigneten Ort gesucht, um an den im August 2010 verstorbenen Theater-, Film- und Opernregisseur Christoph Schlingensief zu erinnern. Nun steht fest: Die Pacellistraße in Alt-Oberhausen wird nach dem Künstler benannt. Die Kirche hatte Einwände.

Eineinhalb Jahre hat die Stadt Oberhausen nach einem geeigneten Ort gesucht, um an den im August 2010 verstorbenen Theater-, Film- und Opernregisseur Christoph Schlingensief zu erinnern. Die Umbenennung der Straße „Am Altmarkt“ scheiterte am Widerstand der Anwohner. Auch weitere Ideen wurden verworfen. Nach langem Hin und Her ist nun endlich die Entscheidung gefallen: Die Pacellistraße in der Innenstadt wird umbenannt – zum Ärger der Kirche.

SPD, Grüne und FDP hatten in der zuständigen Bezirksvertretung Alt-Oberhausen den entsprechenden Antrag gestellt. „Es macht wirklich Sinn, diese Straße umzubenennen, weil Christoph Schlingensief sehr mit ihr verbunden ist“, so Hartwig Kompa (SPD) . In der Nähe des Altmarktes ist der Regisseur aufgewachsen, war lange Zeit Messdiener in der Herz-Jesu-Kirche, an der die Pacellistraße entlang führt. „Es gibt eigentlich keinen besseren Ort.“

Papstname muss weichen

Peter Fabritz, Stadtdechant und Pfarrer von Herz-Jesu, ist davon allerdings nicht überzeugt. Prinzipiell befürworte er zwar eine Würdigung Schlingensiefs, habe aber Vorbehalte gegen die Umbenennung der Pacellistraße, die seit 1959 den bürgerlichen Namen von Papst Pius XII. trägt.

Christoph Schlingensief

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Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben.
Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben. © ddp | ddp
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte.
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte. © Unbekannt | Unbekannt
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes.
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes. © ddp | ddp
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel "Tunguska - Die Kisten sind da" veröffentlicht. © Unbekannt | Unbekannt
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt.
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt. © WAZ | WAZ
Die Triologie besteht aus den Filmen
Die Triologie besteht aus den Filmen "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Stunden im Führerbunker", "Das Deutsche Kettensägenmassaker" und "Terror 2000 - Intensivstation Deutschland". © Unbekannt | Unbekannt
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel:
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel: "100 Jahre CDU - Spiel ohne Grenzen". Im gleichen Jahr gründet er auch die Partei "Chance 2000". © Unbekannt | Unbekannt
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen "Talk 2000" und "U 3000". © NRZ | NRZ
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow "Big Brother", nur das Schlingensief Asylbewerber in dem Container wohnen ließ. Das Ganze sorgte über Wochen für politische Diskussionen. © ddp | ddp
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren.
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren. © ddp | ddp
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder.
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder. © ddp | ddp
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde.
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde. © AP | AP
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009.
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009. © AP | AP
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht...
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht... © ddp | ddp
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt:
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt: "Sie hat mir sehr extrem geholfen in dieser ganzen Zeit. Ohne sie wäre ich da nicht so durchgekommen." © ddp | ddp
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben.
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben. © ddp | ddp
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film "Alle Anderen". © ddp | ddp
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken" ab. Er sehe sich nicht in der Lage, die Arbeit bis zur im August geplanten Premiere fertigzustellen. Nun erlag er im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleiden. © ddp | ddp
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„Es wäre die vierte Umbenennung dieser Straße“, argumentierte Fabritz und bat darum, neben der historischen Entwicklung auch die neue Situation zu berücksichtigen. Nachdem die Gemeinde 2005 das Pfarrhaus und das Jugendzentrum wegen zu hoher Sanierungskosten aufgeben musste, wurde das Gelände verkauft. Im Rahmen des Projekts „Pacelli-Quartier“ entstehen dort zur Zeit seniorengerechte Wohnungen. „Die Seniorenwohnungen sind natürlich nur deshalb nach Pacelli benannt, weil die Straße so heißt. Ansonsten würde der Name Pacelliquartier keinen Sinn machen.“

Gundula Hausmann (CDU) setzte sich für die Interessen der Kirche ein. Es sei keine Frage, dass Schlingensief geehrt werden müsse. Sie sehe aber nicht ein, warum man dafür eine Straßennamensänderung vornehmen solle. „Wenn ich eine Straße umbenenne, um jemanden zu ehren, entziehe ich jemand anderem die Ehre.“ Heike Laß (Die Grünen) forderte letztlich die Bezirksvertretung auf, endlich einen Entschluss zu fassen. Schlingensief selbst „hätte wahrscheinlich sowieso alles ganz anders gemacht“.