Oberhausen. Susanne Fünderich (49) hat im Ebertbad überraschend ihren Abschied angekündigt. Nach 15 Jahre verlässt sie als „Bademeisterin“ die Kulturstätte und spricht nun im Interview mit WAZ-Autor Dirk Hein erstmals über ihre Beweggründe.
Warum wird so gerne über Gründe für Abschiede spekuliert?
Fünderich: Keine Ahnung. Ich bin weder krank, noch beruflich mit jemandem im Ebertbad zerstritten. Mich stört es, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Hajo Sommers und ich schätzen uns auch nach 15 Jahren Zusammenarbeit. Es ist mein Wunsch, mich beruflich zu verändern. Ich habe das Gefühl, im Ebertbad alles gemacht zu haben.
Wie haben Sie und Hajo Sommers vor 15 Jahren zusammengefunden?
Fünderich: Ich habe im Zentrum Altenberg das Kabarettprogramm zusammengestellt. Bei der „Geflügelwoche“, meinem Abschlussprojekt in Altenberg 1997, war Hajo Sommers oft dort. Er hatte zu dem Zeitpunkt mit dem „Music Circus Ruhr“ aufgehört. Wir beschlossen, die „Geflügelwoche“ als Projekt gemeinsam im Ebertbad fortzuführen. Und so fing alles an.
Was eint die Kulturschaffenden Sommers und Fünderich?
Fünderich: Wir sind beide ziemlich bekloppt, aber ausgesprochen ambitioniert.
Wann ist das Ebertbad in der Stadt angekommen?
Fünderich: Im Jahr 2005 ging es uns finanziell sehr schlecht. Wir haben also beschlossen, etwas zu machen, was wir schon immer machen wollten: eine Eigenproduktion. Und das war „Ganz oder gar nicht“ unter der Regie von Gerburg Jahnke. Wenn es schief gegangenen wäre, hätte es keine Rolle mehr gespielt. Wir haben also gehofft, dass es unsere Rettung ist. So kam es auch.
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Fühlten Sie sich alleine gelassen?
Fünderich: Ganz im Gegenteil. Es gab Kabarettisten, die umsonst für uns aufgetreten sind. Ab diesem Zeitpunkt hat sich vieles gewandelt. Die Zuschauerzahlen sind gestiegen, nicht nur durch die Eigenproduktion. Statt 5000 Programmheften haben wir plötzlich 30 000 drucken können.
Was ist im Ebertbad so besonders?
Fünderich: Wir beschäftigen hier kein einziges Arschloch. Das fängt an der Abendkasse an, geht über das Thekenpersonal bis hin zu den Technikern. So etwas überträgt sich. Man muss verstehen, was Gastfreundschaft bedeutet. Wir wollen den Künstlern zeigen, dass wir ihre Bühnenanweisung ernst nehmen. Ich gehe seit Jahren als Technikerin mit Georg Schramm auf Tournee. Ich weiß also, dass dies alles nicht selbstverständlich ist. Darum kommen vielleicht immer noch Künstler zu uns, obwohl wir für sie als Veranstaltungsort viel zu klein sind.
War es schwierig, Ihrem Umfeld den Abschied zu erklären?
Fünderich: Es gibt Leute, die es nicht verstehen können, weil es ja momentan so gut läuft. Aber das ist ein guter Grund, jetzt etwas anderes zu machen. Wir arbeiten uns hier den Arsch ab. Ich gehe nicht unter 70 Arbeitsstunden in der Woche nach Hause. Ich habe das Gefühl, dass ich müder geworden bin. Das ist eine Frage der Energie, wenn man einen Laden mit so viel Herzblut führt. Wenn man froh ist, dass der Künstler nach der Vorstellung nur noch ein Bier statt sieben trinkt, sollte man über das Aufhören nachdenken (lacht).
Ganz oder gar nicht
Was Susanne Fünderich für die Zeit nach dem Ebertbad plant
Und was kommt jetzt?
Fünderich: Seit sieben Jahren habe ich die Agentur „Grubenblumen“ mit der ich Künstler aus dem Ruhrgebiet vertrete. Nicht nur Kleinkunst, sondern auch Musik oder Poetry Slam. Einzige Voraussetzung ist, dass die Person aus dem Revier stammt. Ich bin ein großer Fan des Ruhrgebiets und seiner Menschen. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben. Die Kultur ist handfest und klug. Das möchte ich so ausbauen, dass ich mich davon ernähren kann.
Denken Sie, dass die nun neuen beruflichen Aufgaben den Druck erhöhen werden?
Fünderich: Klar, ich stelle mich ganz neu auf. Ich habe im Ebertbad mit nichts angefangen und gehe Gott sei dank ohne Schulden hinaus. Es gibt keine Reserven. Aber ich möchte und kann dies nicht gegen einen vorbestimmten Arbeitsalltag ohne Freiheiten eintauschen. Freiheit ist das höchste Gut. Wenn man so viel arbeitet, muss es Spaß machen, sonst würde man vor die Hunde gehen.
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Anfang Juli endet im Ebertbad Ihre letzte Schicht. Was glauben Sie, wie sich die ersten Tage danach anfühlen werden?
Fünderich: Ich befürchte, es wird erst einmal in den Keller gehen. Auch wenn ich weiß, dass die Entscheidung richtig ist. Ich habe seit 15 Jahren kaum ein Privatleben. Ich werde im nächsten Jahr 50 Jahre alt. Da wir alle wohl noch bis 70 arbeiten müssen, denke ich, kann man jetzt noch einmal umsatteln (lacht).
Das Ebertbad ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beliebt. Sind Sie stolz auf das Erreichte?
Fünderich: Ich bin leider selten stolz auf mich. Ich habe das nie so richtig gelernt. Mir gefällt, was wir mit dem Ebertbad erreicht haben und die Idee mit meiner Agentur. Ich hoffe, dass die Menschen das auch so sehen. Ich habe mal einen Satz gelesen, der von Konfuzius stammt: „Wer einen Beruf ausübt, den er liebt, braucht sein Leben lang nicht zu arbeiten.“ Tja, und ich muss mich momentan neu in meinen Beruf verlieben.