Oberhausen. .
Unter manchen Jugendlichen gibt es einen Glaubenssatz: „Betrunkene Worte sind nüchterne Gedanken.“ Weniger poetisch bringt es Anna (16) auf den Punkt: „Wenn man Alkohol getrunken hat, sagt man die Wahrheit, die man sonst nicht aussprechen würde.“ Ihre wahren Namen möchten sie nicht nennen. Alkohol ist in ihrer Clique immer dabei: auf Partys, in der Disco, bei Treffen. Man ist dann locker, offen. „Jeder gibt vier Euro. Dann ist der Abend gerettet“, sagt Anna.
Belastbare Zahlen gibt es nicht
Die Jugend habe ein Alkoholproblem, sagen die einen. Die Stadt widerspricht. Ein Verbot von Alkoholverkauf an Kiosken und Tanken nach 22 Uhr, wie die kommunalen Spitzenverbände es forderten, sei nicht nötig. Doch belastbare Zahlen über einen möglichen Trend unter Jugendlichen in der Stadt gibt es nicht. Das Trinken geschieht im Geheimen, oft verborgen vor den Erwachsenen. Die genauen Plätze will auch Dirk Wisnewski, Streetworker und Leiter im Jugendtreff Holten, nicht öffentlich nennen, obwohl er sie kennt. Im Treff selbst ist Alkohol verboten, mancher Jugendliche versucht es dennoch. „Wenn Becher mit O-Saft herumgehen, dann herrscht Alarmstufe rot.“ Er kassiert sie dann ein und weiß, „einige sind heftig unterwegs. Die hauen sich runter, danach checkt keiner mehr was.“
Getrunken wird nur am Wochenende, sagen Annas Freunde. Aber alle in ihrer Clique waren schon einmal so betrunken, dass sie die Kontrolle verloren und abgeholt werden mussten. „Danach weiß man, wo die eigenen Grenzen sind“, versichert Anna. „Wenn ich aber meine jüngere Schwester erwischen würde, gäbe es Ärger“, versichert Britta. Ein Widerspruch? Anna und Britta überlegen
"Jugendliche finden immer einen Weg"
Wer die Wirklichkeit von Jugendlichen beim Umgang mit Alkohol erfassen will, muss versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen, ihre Biografien und die Psychologie zu verstehen. Die 16-jährige Anna hat ihre erste Erfahrung mit hartem Alkohol auf einer Party gemacht. Da war sie 13. Auch Britta (16) fing als 13-Jährige an, ihr Cliquen-Freund Daniel (17) mit 15.
Getrunken wird zumeist Hochprozentiges. Die Eltern duldeten es, „so lange wir es nicht übertreiben“. Ein Problem, den Alkohol, der eigentlich erst ab 18 Jahren zugänglich sein darf, zu bekommen, gibt’s nicht. „Wir haben unsere Stellen“, sagt Anna. In Supermärkten, Kiosken. Denn nicht überall lässt man sich einen Ausweis zeigen. Wer alt genug aussieht, wird vorgeschickt.
Und da gibt es noch die älteren Freunde. „Ein Kaufverbot nach 22 Uhr finde ich sinnlos“, meint sie. Zur Tankstelle gehe keiner von ihnen. Man fange ja schon um 18 Uhr an, meint Daniel locker, „Jugendliche finden immer einen Weg.“