Oberhausen. Tausende Arbeitnehmer verdienen unter 8,50 Euro in der Stunde und würden von der Reform profitieren. Während die Gewerkschaft weitere positive Nebeneffekte sieht, sparen die Arbeitgeber nicht mit Kritik.
Jeder vierte Arbeitnehmer in Oberhausen würde von einem flächendeckenden Mindestlohn profitieren. Dies sagt Verdi-Geschäftsführerin Henrike Greven. Die Gewerkschafterin schätzt, dass mehr als 80 Prozent der rund 21.000 Mini-Jobber in Oberhausen weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen. Hinzu kämen einige der 60.000 Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtigen Jobs, die nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns mehr Geld im Portemonnaie hätten. Vor allem in Branchen wie Einzelhandel, Zeitarbeit, Gastronomie und mobiler Altenpflege seien geringe Verdienste an der Tagesordnung, so Greven.
„Der Mindestlohn würde vielen Oberhausenern direkt weiterhelfen. In 20 europäischen Staaten gibt es ihn bereits und da hat er keine negativen Auswirkungen“, sagt sie in Richtung der Kritiker, die durch den Mindestlohn Arbeitsplätze gefährdet sehen. „Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Er wirkt wie eine Konjunkturspritze.“ Laut Greven würde das Gros der Mini-Jobber den Mehrverdienst wieder ausgeben und so die Wirtschaft ankurbeln.
Aktuell 4600 Aufstocker in Oberhausen
Parallel dazu verspricht sie sich vom Mindestlohn eine Entlastung der Sozialkassen, da die Zahl der Aufstocker schrumpfen würde. Aufstocker verdienen so wenig, dass sie zusätzlich noch Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen müssen. In Oberhausen gibt es aktuell 4600 von ihnen.
Schwarz-gelber Widerstand bröckelt
Vergangene Woche hat sich der Bundesrat mit einer Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken für einen Mindestlohn von 8, 50 Euro ausgesprochen. Nun muss der Bundestag entscheiden.
Die schwarz-gelbe Mehrheit dort stimmte noch 2012 gegen den Mindestlohn. Doch in den vergangenen Tagen signalisierten führende Vertreter von CDU und FDP Kompromissbereitschaft.
Auch aus Branchen, die nicht unbedingt für üppige Gehälter bekannt sind, kommt Zuspruch für den Mindestlohn. „So kann man den harten Preiskampf ein Stück weit entschärfen und unseriöse Geschäftemacher aussieben“, sagt etwa Bernd Görg, Obermeister der Oberhausener Friseur-Innung. „Aber dann muss auch strenger kontrolliert werden.“
Passgenaue Lösungen gewünscht
Ähnlich sieht es Thomas Kolaric, Geschäftsführer Nordrhein des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga): „Wer seinen Mitarbeitern keine 8,50 Euro bezahlen kann, muss auch mal sein Geschäftsmodell hinterfragen.“ Gleichwohl räumt er ein, dass es gerade bei den Lieferdiensten durch den Mindestlohn etwas „knirschen“ würde.
Viel kritischer steht Martin Jonetzko, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes Ruhr-Niederrhein, dem flächendeckenden Mindestlohn gegenüber. Er würde lieber passgenaue Lösungen unter Berücksichtigung der regionalen Wirtschaftskraft sehen. „Für München gelten andere Maßstäbe als für die ländlichen Räume Mecklenburg-Vorpommerns.“ Die Lohnfindung sei Aufgabe der Tarifparteien. „Lässt man den Eingriff der Politik in die Tarifautonomie einmal zu, wird man diesen nie wieder loswerden.“