Oberhausen. Der umstrittene Vorschlag von zwei Bundespolitikern löst in der Gasometerstadt Empörung aus. Die Idee sei zynisch und herabwürdigend, so die Kritiker. Die Pferdefleisch-Produkte sollten günstig verkauft werden.

Der Vorschlag, mit Pferdefleisch versetzte Tiefkühlprodukte an bedürftige Menschen zu verteilen, stößt in Oberhausen auf breite Ablehnung. Als „absolut daneben“ geißelt etwa Josef Stemper, Vorsitzender der Oberhausener Tafel, die umstrittene Forderung des CDU-Bundestagsabgeordneten Hartwig Fischer, die am Wochenende von FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel nochmals erneuert wurde. „Unsere Gäste sind keine Verbraucher zweiter Klasse“, schimpft Stemper. „Wir geben nichts weiter, was falsch etikettiert ist.“

Bislang hat die Tafel von keinem ihrer rund 50 Partner in Oberhausen die fragwürdigen Fertigprodukte angeboten bekommen. „Wir würden sie aber auch sofort entsorgen“, stellt Josef Stemper unmissverständlich klar. Die von Verbrechern vorsätzlich falsch etikettierte Ware sollte ähnlich wie etwa gefälschte Zigaretten am besten direkt vernichtet werden, findet er.

Heftige Kritik an den umstrittenen Verteilungsvorschlägen kommt auch von den Kirchenvertretern. „Die Idee zeugt von einem herabsetzenden Menschenbild – als wenn es in der Gesellschaft bestimmte Schichten gäbe, bei denen man ungewollte Lebensmittel entsorgen kann“, moniert Stadtdechant Peter Fabritz. Er bezweifelt ferner, dass wirklich alle heimlich mit Pferdefleisch versetzten Gerichte gesundheitlich unbedenklich sind.

Mogel-Produkte: Kontrollen in allen Oberhausener Betrieben

Die vom Bundesministerium für Verbraucherschutz veröffentlichte Liste mit Lebensmitteln, die undeklariert mit Pferdefleisch versetzt worden sind, wird immer länger. Bereits in der vergangenen Woche nahmen Oberhausener Lebensmittelkontrolleure „eine gezielte Probe in einer ganz bestimmten Filiale“. In dieser Woche zieht die komplette Abteilung los, um in sämtlichen Lebensmittelfilialen Produkte unter die Lupe zu nehmen, „die Rindfleisch enthalten oder zumindest enthalten sollten“.

Dies bestätigt Horst Ohletz auf Nachfrage. Viel Arbeit für die sechs Lebensmittelkontrolleure, die zwei Veterinäre und die Tierärztin: „aber im Moment unsere vordringlichste Aufgabe, hinter der die Routinearbeit zurückgestellt wird“, so Ohletz. „Ab der kommenden Woche wird sich die Lage auch für uns wieder entspannen“, hofft er. Denn bis dahin seien sämtliche Zentrallager der fleischverarbeitenden Betriebe überprüft worden. „Und damit können wir zielgerichteter kontrollieren.“ Der Bereichsleiter Öffentliche Ordnung geht allerdings davon aus, dass die großen Firmen ihre Sortimente längst bereinigt haben.

Pferdefleisch an sich sei natürlich nicht gesundheitsgefährdend. Doch in diesem Fall könnten die Tiere mit für den Menschen schädlichen Medikamenten behandelt worden sein. Außerdem: „Wenn etwas anderes drin ist als drauf steht, ist das schlicht Betrug.“ Die ersten Untersuchungsergebnisse erwartet Ohletz noch in dieser Woche.

Joachim Deterding, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises, begrüßt zwar, dass über alternative Verwendungsmöglichkeiten der aussortierten Produkte nachgedacht wird, der aktuelle Vorschlag sei aber „zynische“ Effekthascherei. „Wer wirklich etwas gegen Armut tun möchte, der muss die Strukturen grundlegend ändern“, so Deterding. „Der eigentliche Skandal ist, dass in Deutschland viele Menschen in Vollzeit arbeiten und damit trotzdem nicht über die Runden kommen.“

Problem-Produkte preiswert anbieten

Er regt an, mit den Mogel-Produkten – sofern sie ohne Schadstoffe sind – ähnlich wie mit anderen Ladenhütern zu verfahren. „Sie könnten umetikettiert und dann wie in einer Marktwirtschaft üblich zu günstigen Preisen angeboten werden. Dann herrscht Transparenz und der Verbraucher hat die freie Entscheidung.“ Ein Ansatz, der bei Wolfgang Große Brömer, dem Vorsitzenden der Oberhausener SPD-Ratsfraktion, Zustimmung findet. „Bedürftige sind schließlich nicht der Mülleimer der Nation.“

Lasagne als Tierfutter?

Selbst Hans-Otto-Runkler, Chef der Oberhausener FDP-Fraktion, möchte seinem Parteifreund Dirk Niebel in der Angelegenheit nicht zur Seite springen. Süffisant rät er diesem vielmehr, die dubiosen Fertigprodukte doch in der Ministeriums-Kantine servieren zu lassen. „Hinter seinem Vorschlag steht sicherlich ein aufrichtiges Anliegen, aber die Forderung ist aus dem Handgelenk geschüttelt und hat einen falschen Zungenschlag.“ Eine Option hingegen wäre, die Pferdefleisch-Lasagne zu Tierfutter weiterzuverarbeiten, so Runkler.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Wilhelm Hausmann betont, dass der Kern des Skandals der Etiketten-Schwindel bei den Fertigprodukten ist. Dennoch ordnet auch er die umstrittene Verteilungsidee als „unglücklich und stigmatisierend“ ein. „Keine gesellschaftliche Gruppe sollte einer anderen vorschreiben, was sie essen soll.“