Oberhausen. Immer mehr freiberufliche Hebammen verzichten auf ihre eigentliche Kerntätigkeit, die Geburtshilfe. Grund dafür sind die hohen Versicherungskosten. Viele der Oberhausener Freiberuflerinnen kümmern sich inzwischen ausschließlich um die Bereiche der Geburtsvorbereitung und der Nachsorge.
Schwangere, die bei der Geburt auf die intensive Betreuung einer freiberuflichen Hebamme setzen wollen, müssen sich auf eine beschwerliche Suche einstellen. Denn wegen der hohen Versicherungskosten streichen immer mehr Oberhausener Freiberuflerinnen die Geburtshilfe aus ihrem Leistungsangebot. Diese Hebammen verzichten somit notgedrungen auf ihre eigentliche Kerntätigkeit.
Im Sterkrader St. Clemens Hospitale etwa betreuen nur noch vier der insgesamt elf „Beleghebammen“ – sie arbeiten dort freiberuflich – Schwangere auch während der Geburt. Die anderen Freiberuflerinnen kümmern sich ausschließlich um die Bereiche der Geburtsvorbereitung und Nachsorge, während die Entbindung den fest angestellten Hebammen des Krankenhauses vorbehalten bleibt.
„Neben familiären Gründen sind die hohen Versicherungskosten entscheidend für diese Entwicklung“, so Krankenhaus-Sprecherin Silke Markus. Für die freiberuflichen Hebammen-Leistungen vor und nach der Geburt fallen nicht so hohe Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung an wie für die Entbindung selbst. Hebamme Monika Fenten ergänzt: „Von fünf freiberuflichen Hebammen in der Stadt sind daher zuletzt drei aus der Geburtshilfe ausgestiegen – zwei allerdings erstmal nur vorerst.“
Stundenlohn bleibt mickrig
An diesem Trend wird sich offenbar auch durch die kürzlich beschlossene Vergütungserhöhung von rund 13 Prozent nichts ändern. Denn: „Die Bezahlung ist immer noch katastrophal“, konstatiert die Oberhausener Hebamme Regina Brode, die 2006 schweren Herzens mit der Geburtshilfe aufhörte. Laut dem Landesverband der Hebammen NRW steigt der durchschnittliche Stundenlohn durch die aktuelle Erhöhung lediglich von 7,50 Euro auf 8,48 Euro.
Zahl der Hebammen sinkt
Die Gesamtzahl der Hebammen in Oberhausen ist in den letzten Monaten gesunken. Waren im Mai 2012 noch insgesamt 71 Geburtshelferinnen beim städtischen Gesundheitsamt gelistet, so sind es aktuell nur noch 60. Wie viele davon freiberuflich sind, ist allerdings nicht erfasst.
Genaue Ursachen für diesen Rückgang kann das Gesundheitsamt in Oberhausen allerdings nicht benennen. Möglicherweise sei aufgrund der gesunkenen Geburtenrate auch der grundsätzliche Bedarf rückläufig, ist eine Erklärung von Leiter Hans-Henning Karbach.
Carina Muckenhaupt von der Hebammenpraxis Bauchladen glaubt nicht, dass sich dieser eine Euro mehr großartig in der Geldbörse bemerkbar macht. Mindestens einmal pro Woche fragt bei ihr eine werdende Mutter wegen der Geburtshilfe an. Wie ihre Kollegin Sarah Rittger hat sie diese Leistung aber bereits vor rund zwei Jahren aus dem Katalog gestrichen. „Das war zum Schluss nur noch ein Minus-Geschäft.“ Durchschnittlich drei bis sieben Geburtshilfen im Monat reichten nicht aus, um die satten Versicherungskosten wieder hereinzuholen. „Man darf auch nicht vergessen, dass man dabei in Dauer-Rufbereitschaft ist. Das schränkt das Privatleben ein. Trotzdem gibt es dafür keine Extra-Bezahlung.“
Kaum Haftpflicht-Versicherer für Hebammen
Noch nicht aus der Geburtshilfe ausgestiegen ist hingegen Monika Fenten. „Ich mache erstmal weiter. Aber ich überlege mir ganz genau, welche Aufträge ich annehme“, schränkt sie ihre Aussage sofort ein. So lehnt sie beispielsweise Entbindungsorte, die weiter weg liegen, wegen der hohen Spritkosten grundsätzlich ab. „Entscheidend ist auch, wann der Entbindungstermin ist.“ Wegen der hohen Sätze schließt Fenten die dafür notwendige Haftpflicht-Versicherung nicht immer für das ganze Jahr ab. Fällt ein Geburtstermin aus dem versicherten Zeitraum, muss sie den Auftrag ablehnen.
Für die unbefriedigende Gesamtsituation hat die freiberufliche Hebamme vor allem zwei Ursachen ausgemacht: „Es gibt nur wenige Haftpflicht-Versicherer für uns. Der mangelnde Wettbewerb schlägt sich negativ auf die Prämienhöhe nieder“, so Fenten. Außerdem habe ihre Berufsgruppe so gut wie keine Lobby. Politiker kämen nicht über reine Lippenbekenntnisse hinaus. „Daher haben wir seit langem einen Reformsstau.“ Während die Vergütung über Jahre hinweg nicht gestiegen sei, seien die Haftpflicht-Prämien hingegen fortwährend aufgestockt worden, moniert Fenten. Laut der Initiative Hebammen für Deutschland stieg sie im Juli 2012 von 3690 Euro auf rund 4200 Euro. Fenten vergleicht: „Als ich 1995 anfing habe ich nur rund 800 DM bezahlt.“