Oberhausen. . Wer als freiberufliche Hebamme auch Entbindungen betreuen möchte, muss tief in die Tasche greifen. 3700 Euro werden nun pro Jahr für die Haftpflichtversicherung fällig. In Oberhausen nehmen nur noch vier Frauen dieses finanzielle Wagnis in Kauf.
Während die Frauen in 2006 noch 1500 Euro jährlich zahlten, kletterte der Haftpflichtbetrag in 2008 bereits auf 2300 Euro. „Doch mit einem Anstieg um weitere 1400 Euro hat niemand gerechnet“, sagt Bärbel Knappe (59). Elf Kolleginnen in Bottrop hätten daraufhin gleich ihren Beruf an den Nagel gehängt. Und auch die eine oder andere der vier Freiberuflichen in Oberhausen muss nun gewaltig jonglieren. Für sie bedeute die Prämiensteigerung: „Wir müssen fast die komplette Bereitschaftsgebühr in Höhe von 300 bis 350 Euro an die Versicherung weiterleiten.“ Diese einmalig von den Schwangeren entrichtete Gebühr erhielten die Hebammen eigentlich dafür, dass sie um den Entbindungszeitraum herum Tag und Nacht abrufbereit seien. „Von Verdienst kann dann aber noch keine Rede sein“, sagt Shirin Zini (34). Und Martina Bornemann (44) ergänzt entnervt: „Geld bekommen wir fast nur noch über die Vor- und Nachsorge rein.“
Ein Wechsel der Versicherung ist keine Lösung
Ein Versicherungswechsel sei keine Alternative, betonen die Frauen. Denn für Hebammen gebe es keine Wahlmöglichkeit. Das liege wohl auch an der immens hohen Versicherungssumme: 6 Mio Euro pro Schadensfall. Die Verträge würden vom Deutschen Hebammenverband für jeweils rund zwei Jahre ausgehandelt.
Claudia Scheerer, Sprecherin der Versicherungskammer Bayern, betont: In den vergangenen Jahren habe sich der Aufwand für Personenschäden, die zum Teil über Jahrzehnte bezahlt werden müssten, deutlich erhöht. Dazu zählten insbesondere die stark gestiegenen Gesundheitskosten, Pflegekosten, Schmerzensgelder, Verdienstausfallkosten sowie die Heilbehandlungskosten.
Zahl der Schadensfälle ist konstant geblieben
„Bei Hebammen mit Geburtshilfe ist das Risiko von umfangreichen Personenschäden sehr hoch. Wenngleich die Anzahl der Schadensfälle konstant bleibt, sind die Schadenssummen insgesamt stark gestiegen“, führt Scheerer aus.
Ihrem Beruf treu bleiben konnten die vier freiberuflichen Oberhausener Hebammen nur, weil ihnen die Versicherungskammer Bayern einen Kompromiss anbot: Sie zahlen nur für die Monate die erhöhten Sätze, in denen sie eine Entbindung erwarten. Der Haken: „So genau kalkulierbar ist das nicht. Mal zahlt man, doch das Kind lässt sich nicht blicken, dann muss man für einen weiteren Monat nachversichern - und schon wird es wieder teuer“, erläutert Martina Bornemann.
Freiberufliche Hebammen wollen ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben
Dennoch: Um nichts in der Welt möchten die Frauen mit ihren angestellten Kolleginnen tauschen. „Wir haben alle jahrelang in Kliniken gearbeitet“, sagt Bärbel Knappe, die vor 16 Jahren durch ein städtisches Projekt auf die Idee kam, sich selbstständig zu machen. „Durch den Personalabbau wird die Arbeitsbelastung für die Hebammen in den Krankenhäusern immer größer“, weiß Shirin Zini. „Die Kolleginnen leisten trotz alledem gute Arbeit.“ Sie weiß aber auch: „Den Schwangeren wird man so nicht mehr gerecht, weil einfach die Zeit für Gespräche fehlt.“
Als Freiberufliche können die Hebammen eine Familie über fast ein Jahr begleiten. „Da baut man eine ganz andere Beziehung auf, bekommt viel mehr mit“, meint Martina Bornemann. Zeit, Gespräche, menschliche Nähe sind allen vieren wichtig.
Deshalb nehmen sie die hohen Haftpflichtkosten in Kauf. Bleibt nur die Frage: Wie lange können sie sich das noch leisten?