Oberhausen.

Wachsender Druck im Alltag und die gesellschaftliche Enttabuisierung seelischer Leiden sorgen dafür, dass mehr Menschen in Oberhausen Rat und Hilfe bei psychischen Erkrankungen suchen. „Die Fallzahlen von Burn-Out beziehungsweise Depressionen nehmen eindeutig zu“, sagt der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Katholischen Kliniken Oberhausen (KKO), Prof. Dr. Eugen Davids.

„Mehr Menschen suchen eine Therapie. Das merken wir auch in Oberhausen“, bestätigt sein Kollege Prof. Dr. Matthias Rothermund, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Johanniter Krankenhauses Oberhausen. Das Problem: In der Stadt herrscht ein teils krasser Mangel an Psychiatern und Psychotherapeuten.

Zwei Fachkliniken in der Stadt

In der Psychiatrie verfügt das zu den KKO zählende St. Josef-Hospital über 122 Betten und das Johanniter über 160 Betten. Dabei hat das St. Josef den südlichen Teil Oberhausens sowie Mülheim als Einzugsgebiet, während das Johanniter für Patienten aus dem Norden Oberhausens und Duisburg zuständig ist.

Zwar sehen die beiden Kliniken in der Notfallaufnahme keine Engpässe, und auch bei den planbaren Aufnahmen sind die Wartezeiten mit etwa ein bis vier Wochen nach eigener Einschätzung durchaus vertretbar. Doch beklagen Davids und Rothermund wie auch Richard Höhmann, Geschäftsführer der Intego GmbH Oberhausen, einer Hilfseinrichtung für psychisch kranke Menschen, eine Unterversorgung der Stadt mit Psychiatern und vor allem Psychotherapeuten.

Die Situation bei der Versorgung der Stadt mit Psychiatern sei angespannt, Patienten müssen mit Wartezeiten für eine Behandlung von bis zu einem halben Jahr rechnen. Geradezu „katastrophal“ sei die Ausstattung mit Psychotherapeuten, sagt Rothermund. Hier komme es zu Wartezeiten von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.

„Ambulante Versorgung ist unzureichend“ 

„Die ambulante Versorgung psychisch erkrankter Menschen in Oberhausen ist unzureichend“, beklagt Intego-Geschäftsführer Höhmann. Ein Horn, in das auch die Psychotherapeutenkammer NRW stößt. Ihren Angaben zufolge müssen psychisch Kranke in Oberhausen durchschnittlich 17 Wochen warten, bis sie vor einer möglichen Behandlung auch nur einen Termin für ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten bekommen – das ist fast doppelt so lang wie in anderen deutschen Großstädten. Dabei seien nicht mehr als drei Wochen zumutbar.

„Der massive Mangel an psychotherapeutischen Behandlungsplätzen zwischen Duisburg und Dortmund liegt insbesondere daran, dass die rund fünf Millionen Menschen des Ruhrgebietes in der Bedarfsplanung systematisch benachteiligt werden“, kritisiert Monika Konitzer, die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer NRW. „In den Großstädten des Ruhrgebiets hat der Gesetzgeber einen viel geringeren psychotherapeutischen Bedarf angenommen als in allen anderen deutschen Großstädten.“

Wie viele Psychotherapeuten sich in einer Stadt niederlassen dürfen, regelt die sogenannte Bedarfsplanungsrichtlinie, über die der Gemeinsame Bundesausschuss aus Ärzten, Krankenkassen, -häusern und Patientenvertretern entscheidet. Die aktuell gültige Bedarfsplanung stuft Oberhausen und andere Kommunen des Reviers aber nicht als Großstädte, sondern das Ruhrgebiet insgesamt als Sonderregion ein. In dieser dürfen sich lediglich 11,4 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner niederlassen – weniger als ein Drittel von Großstädten, die außerhalb des Ruhrgebietes liegen. „Das ist eine absurde Annahme, für die es keine fachliche Begründung gibt“, kritisiert Monika Konitzer von der Psychotherapeutenkammer NRW.

Ringen im Bundesausschuss

Ihre Forderung: „Die Sonderregion Ruhrgebiet muss bei der anstehenden Reform der Bedarfsplanung abgeschafft werden. Die Städte an Rhein und Ruhr benötigen die gleiche Anzahl an Psychotherapeuten wie alle anderen deutschen Städte.“ Und: „Wir fordern für Nordrhein-Westfalen 1600 psychotherapeutische Praxen zusätzlich.“

Am 20. Dezember tagt der Gemeinsame Bundesausschuss wieder. In dem gesundheitspolitischen Entscheidungsgremium wird um die Bedarfsplanung gerungen. Oberhausen sei mit derzeit 34 niedergelassenen Psychotherapeuten, also 15,8 je 100.000 Einwohner, gemäß der Richtlinie sogar noch überversorgt, sagt Kammersprecher Kay Funke-Kaiser. Bleibe die Richtlinie so bestehen, könnten in Oberhausen folglich noch sechs der 34 Praxen abgebaut werden.