Oberhausen.

Angstzustände, Depressionen, Sucht: Studien zufolge leidet etwa jeder dritte Deutsche an einer psychischen Erkrankung – und die Tendenz ist steigend. „Wir stellen fest, dass zunehmend Menschen in existenzielle, bedrohliche Krisen geraten, ohne dass sie vorher auffällig geworden sind“, sagt Richard Höhmann, Geschäftsführer der Intego GmbH Oberhausen, einer Hilfseinrichtung für psychisch kranke Menschen. Armut, Leistungsverdichtung im Betrieb oder der Verlust des Arbeitsplatzes seien unter anderem Auslöser dafür, „dass die Sollbruchstelle Psyche knackt“.

Netzwerk aufgespannt

Die gemeinnützige Einrichtung, deren Gesellschafter der Psychosoziale Förderverein ist, ist Teil des Netzwerks, das Stadt, Caritas, Diakonie und Intego zur psychosozialen Betreuung in Oberhausen aufgespannt haben. Zudem koordiniert die Intego gGmbH den sogenannten Integrationsfachdienst in Oberhausen und Mülheim, der zur Aufgabe hat, Menschen mit seelischer und körperlicher Behinderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Mittlerweile stehe seine Einrichtung, zu deren Angebot auch eine Psychiatrische Tagesstätte sowie eine Familien- und Jugendhilfe zählen, im Kontakt zu rund 1000 Menschen in Oberhausen, so Höhmann. Die Zahl habe sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdreifacht – auch weil Menschen in psychischen Ausnahmesituationen vermehrt nach maßgeschneiderten Hilfen fragen. Die Zahl der Mitarbeiter sei in diesem Zeitraum von einem Dutzend auf 80 gestiegen. Bei der Hilfe zum selbstständigen Wohnen sei der Kreis der betreuten Personen in der eigenen Wohnung sowie in vier Wohngemeinschaften von etwa 50 auf aktuell 280 gestiegen.

Angst, Depression, Sucht

Experten zufolge werden psychische Störungen zu einer immer größeren gesundheitspolitischen Herausforderung. Frauen leiden häufig unter Angststörungen und Depressionen. Bei Männern dominieren Suchterkrankungen, vor allem Alkoholmissbrauch. Doch adäquat behandelt werden nur die wenigsten Betroffenen. Nur ein Drittel aller Betroffenen sei jemals in medizinischer Behandlung gewesen, verweist Höhmann auf entsprechende Studien.

Eine Forderung für die Zukunft formuliert der Intego-Geschäftsführer deshalb wie ein Zahnarzt: „Vorsorgen statt bohren. Wir müssen an die krankmachenden Umweltfaktoren wie Reizüberflutung und Stress ran, sonst laborieren wir nur an den Symptomen.“ Dazu müsse eine gemeindenahe Psychiatrie entwickelt werden. „Krankenkassen müssten mehr Ressourcen auf gemeindeintegrierte Hilfen legen. Es braucht einen Paradigmenwechsel. Wir vernachlässigen die Förderung der psychischen Gesundheit.“ Letztlich würde das auch Kosten sparen. „Eine ambulante Versorgung kostet nur einen Bruchteil dessen, was eine klinische Behandlung kostet“, so Höhmann.

Es gibt aber auch Bewegung: Verantwortungsbewusste Unternehmen und Gewerkschaften etwa suchen mittlerweile verstärkt Kontakt zum achtköpfigen Integrationsfachdienst. Dessen Beratung sichere in 80 Prozent der Fälle den Arbeitsplatz eines Betroffenen. „Das“, sagt Höhmann, „ist eine hohe Erfolgsquote“.