Oberhausen.
Mit feinster Theaterkunst entführt die englische Regisseurin Lily Sykes die Zuschauer mit der Bühnenfassung des Kinder-Klassikers „Der geheime Garten“ ins England des 19. Jahrhunderts.
Jüngere und ältere Zuschauer der Premiere des Stücks, gespielt im Malersaal auf der kleinen Bühne, erlebten die faszinierende und spannende Geschichte der kleinen Mary hautnah und waren anschließend höchst angetan. Da stimmten alle Zutaten: erstklassiges Schauspiel vor beeindruckender Kulisse, getragen durch die jeweilige Stimmung unterstreichende Musik und Geräusche.
Trotzig, aufmüpfig, neugierig
„Mary, du bist zauberhaft!“, möchte man Angela Falkenhan zurufen. Sie lässt das Mädchen in all seinen Gemütsschwankungen von ärgerlich über trotzig, aufmüpfig, neugierig bis hin zu ein bisschen verliebt so lebendig werden, dass man es einfach lieben muss.
Was die schauspielerische Leistung angeht, steht ihr Elisabeth Kopp als herrschsüchtige Mrs. Madlock, die auf dem Schloss das Regiment führt, in nichts nach. Sie spielt die Böse so, wie es im Märchen sein muss: „Vom ersten Augenblick an hasste ich sie“, sagt Mary.
Schwungvoll und komisch
Auch Eike Weinreich als eingebildet kranker Sohn des Lords und Martin Hohner, der Dicken, den Jungen spielt, der Mary zeigt, wie Kindsein funktioniert, sind der jeweiligen Rolle entsprechend echte Jungen.
Manja Kuhl als Dienerin der Madlock ist eine fantastische Vermittlerin zwischen Gut und Böse. Sie bringt unglaublichen Schwung und ganz viel Komik ins Geschehen und spielt eine verrückt-ausgeflippte Mary-Poppins-Mutterrolle für Mary. Hartmut Stanke als Lord Craven ist ebenfalls eine Spitzen-Besetzung. Wie er sich vom gebrochenen, unter Mrs. Madlocks Knute stehenden Alten zum verständnisvollen Vater wandelt, ist beeindruckend.
So schön wie „Der kleine Lord“
Was dieses Stück ausmacht, ist seine Mystik. Dinge, die eigentlich nicht sein können, geschehen. Gedanken werden sichtbar durch Schattenspiel und der geheimnisvolle Garten entfaltet sich Stück für Stück, bis er in voller Pracht zu sehen ist, als buntes fantastisches Kunstwerk (Bühne: Christina Mrosek). Höchst kunstvoll sind auch die historischen Kostüme (Ines Koehler). Eineinhalb Stunden, die wie im Fluge vergehen, dauert die gelungene Entführung ins Geheimnisvolle.
Lily Sykes ist der Beweis gelungen: „Der geheime Garten“ der Bestseller-Autorin Frances Hodgson Burnett ist mindestens so schön wie ihr Roman „Der kleine Lord“.