Oberhausen. . Nützlich oder Abzocke der Patienten? Ärzte, Krankenkassen und Verbraucherzentrale urteilen unterschiedlich

Eine Tätowierung entfernen oder den Augeninnendruck messen lassen. Zwei medizinische Eingriffe, die unterschiedlicher nicht sein können. Beide übernimmt die gesetzliche Krankenkasse nicht. Den Betrag muss der Patient aus eigener Tasche zahlen. Die Angebote gehören zu Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Diese werden nun in einem speziellen Internet-Monitor unter die Lupe genommen, die Bewertung fällt zumeist negativ aus. Ärzte wehren sich jedoch gegen die Anschuldigung, durch unnötige Untersuchungen Geld scheffeln zu wollen.

Nicht alle Angebote erfasst

Dünnschichtzytologie zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs und Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. Hört sich alles wichtig und notwendig an. Nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und dem neuen IGeL-Monitor im Internet zu urteilen, sind sie es jedoch nicht. „Wenn sie nicht im Leistungskatalog stehen, sind sie auch nicht notwendig“, erklärt Beate Hanak, Sprecherin der Technischen Krankenkasse in NRW.

Den IGeL-Monitor, der über den Nutzen individueller Gesundheitsleistungen Auskunft gibt, rief der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. ins Leben. Der Monitor zeigt jedoch nicht alle Angebote, nur ein paar Dutzend sind erfasst. Dr. Heinrich Vogelsang, Facharzt für Innere Medizin, hält die virtuelle Beratung für wenig aussagekräftig, kann sich aber Hanaks Meinung teilweise anschließen: „Manche sind notwendig und auch sinnvoll, andere wiederum nicht. Der Patient muss selber wissen, welche IGeL-Leistungen er in Anspruch nimmt.“ Die Grenze zwischen Nutzen und Luxus sei oft sehr schmal. Warum Untersuchungen wie Ultraschall und Augeninnendruckmessung nicht übernommen werden, versteht der Facharzt nicht: „Vielleicht hat dann nur einer von zehn Patienten eine Erkrankung, aber dem kann nicht geholfen werden, weil er zu sparsam ist, um sich einer Ultraschalluntersuchung zu unterziehen.“

Marketingseminare für Ärzte

Natürlich könne er als Arzt erst im Nachhinein sagen, ob die IGeL-Leistung erforderlich war. Dass es Ärzten nur ums Geldscheffeln geht, hält er für Unsinn. „Letztendlich muss der Patient nach seinem Ermessen handeln“, findet Vogelsang. Die noch bis vor Kurzem von der Bundesregierung geförderten Marketingseminare für Ärzte lassen diese Aussage jedoch in einem anderen Licht erscheinen. Hier sollen sie erlernen, wie die speziellen Leistung richtig verkauft werden.

Christine Bruns von der Verbraucherzentrale Oberhausen findet es deshalb wichtig, dem behandelnden Arzt Vertrauen zu können: „Ein seriöser Arzt klärt seinen Patienten über den Nutzen, die Wirksamkeit und die Risiken der empfohlenen medizinischen Leistung auf.“ Zu Beginn des Beratungsgesprächs sollte geklärt werden, was der Patient zuzahlen muss. Die Verbraucherzentrale rät außerdem: „Lassen Sie sich Bedenkzeit einräumen; entscheiden Sie sich nicht sofort für eine Behandlung.“

Der Meinung ist auch TK-Sprecherin Beate Hanak: „Am besten fragt man den Arzt ebenfalls nach Erfahrungswerten bei anderen Patienten.“ IGeL-Leistungen hält sie generell für durchaus nützlich, wären sie jedoch medizinisch erforderlich, stünden sie auch im Leistungskatalog. Vogelsangs Unverständnis, ausgewählte IGeL-Leistungen nicht in den Katalog mit aufzunehmen, kann sie nicht nachvollziehen.

Akupunktur als Regelleistung

„Wir, die Technische Krankenkasse, sind permanent bestrebt, den Leistungskatalog zu erneuern.“ Bestes Beispiel sei die Akupunktur: Seit 2007 zählt das Verfahren zu den Regelleistungen. Vorher gehörte die Akupunktur ebenfalls zu den IGeL-Leistungen. Durch eine langjährige Studie konnte aber der medizinische Nutzen beispielsweise bei Kniebeschwerden und chronischen Schmerzen festgestellt werden. „Mittlerweile beteiligen wir uns auch an den Kosten homöopathischer Behandlungen“, erläutert Hanak weiter. Den IGeL-Monitor hält die TK-Sprecherin für sinnvoll – speziell für Leute, die sich vorwiegend im Internet informieren. „Außerdem soll der Patient jede Informationsmöglichkeit nutzen.“