Dortmund.. Bach-Blüten- und Stoßwellen-Therapie, Vitamin-Kuren, Schnarch-Entwöhnung, Eigenblutbehandlung: Ärzte haben ein großes Repertoire an Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) im Programm. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hat jetzt eine Internet-Seite gestartet, die IGeL-Leistungen prüft und bewertet.
Bach-Blüten- und Stoßwellen-Therapie, Vitamin-Kuren, Schnarch-Entwöhnung, Eigenblutbehandlung: Ärzte haben ein großes Repertoire an Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) im Programm. Offenbar erfreuen sich diese Selbstzahlerleistungen großer Beliebtheit. Experten warnen vor Abzocke. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hat jetzt eine Internet-Seite gestartet, die IGeL-Leistungen prüft und bewertet.
Was sind IGeL-Leistungen?
Individuelle Gesundheitsleistungen sind Angebote, die nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Entweder sehen die Kassen in ihnen keinen Nutzen für den Patienten, oder es handelt sich um zusätzliche Vorsorgemaßnahmen, die der Patient auf freiwilliger Basis annehmen kann.
Seit wann gibt es IGeL-Leistungen und wie haben sie sich entwickelt?
Eingeführt wurden die kostenpflichtigen Extraangebote in den 90er-Jahren auf Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Durch Kostensenkungen im Gesundheitssystem war das Einkommen der Ärzte gesunken, die IGeL-Dienste sollten die Verluste auffangen. Seitdem ist der Markt explodiert. Aus anfangs 90 möglichen Extraleistungen sind bis zu 350 geworden. Die Zusatzeinnahmen der Ärzte sind auf 1,5 Milliarden Euro jährlich gewachsen.
Warum stehen die IGeL-Leistungen in der Kritik?
Experten sagen, es handele sich in erster Linie um überflüssige Behandlungen, deren Wirkung in den meisten Fällen nicht bewiesen sei. Einige Angebote stehen sogar eher im Verdacht dem Patienten zu schaden, als ihm zu helfen.
Warum haben die Krankenkassen jetzt das Informationsforum gestartet?
Um Patienten vor unsinniger Abzocke zu bewahren. Natürlich haben die Kassen aber nicht nur das Wohl des Patienten im Sinn, sie hoffen auch, von dem kritischen Bewertungsportal zu profitieren. So sind einige Patienten beispielsweise fest von der positiven Wirkung der Bach-Blütentherapie überzeugt und bestürmen ihre Kasse mit der Forderung, diese Leistung endlich ins Programm aufzunehmen. Einige Kassen können sich das leisten und bieten ihren Kunden derartige Behandlungen an, andere können ihren Patienten die Kostenübernahme nur immer wieder verweigern. Mit dem IGeL-Monitor erhoffen sich die Kassen, den Patienten vom Unsinn solcher Leistungen zu überzeugen, sich also letztlich Ärger und Geld zu sparen.
Was leistet der Monitor?
Er hält Informationen zu häufig angebotenen IGeL-Leistungen bereit. Das Portal soll dem Patienten eine Entscheidungshilfe bieten. Der MDS verspricht, die Informationen seien „wissenschaftlich abgesichert, verständlich und transparent“. Statt Noten gibt es im Monitor Einschätzungen: „Positiv“, „negativ“ und „unklar“. Zudem steht dort, welche Leistungen von den Kassen übernommen werden.
Zu welchem Ergebnis kommt der Check?
Die meisten Angebote werden erwartungsgemäß als wenig sinnvoll bewertet. Vor manchen warnen die Experten des MDS sogar, falls statt der IGeL-Behandlung eine wichtige Therapie ausbleibt.
Gibt es Beispiele?
Die Bach-Blütentherapie zum Beispiel soll seelische Störungen beheben und Krankheiten vorbeugen. Ihr liegen aber mehrere Annahmen zugrunde, die nicht nur spekulativ sind, sondern den gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen sogar widersprechen. Mit Anamnese, Untersuchung und Beratung kann eine solche Therapie bis zu 200 Euro kosten. Laut medizinischen Arbeiten und Untersuchungen wirkt die Bach-Blütentherapie nicht besser als eine Behandlung mit Placebos, zeigt aber auch nicht mehr direkte Nebenwirkungen. Der Monitor bewertet ihren Nutzen mit „unklar“.
Die Eigenbluttherapie bei Sehnenreizung wird als „tendenziell negativ“ bewertet, da bei der Rückinjektion verarbeiteten Blutes unerwünschte Ereignisse auftreten können.
Auch die Messung des Augeninnendrucks zur Vorsorge und Früherkennung des sogenannten „grünen Stars“ bewertet der MDS als „tendenziell negativ“. Die Ergebnisse der Studien zeigten, dass die Augeninnendruckmessung ein Glaukom nicht zuverlässig vorhersagen oder diagnostizieren kann, steht im Monitor.
Was sagen die Kassenärzte?
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) bewertet den Monitor positiv: „Transparenz ist immer gut“, so Sprecher Christopher Schneider. Auch er bezeichnet den Nutzen vieler IGeL-Leistungen als „fragwürdig, aber vom Patienten gewünscht“. Ein Arzt müsse „wirtschaftlich denken“. Er dürfe aber „seinem Patienten nichts aufschwatzen und ihn nicht bedrängen“.