Oberhausen. .
25 Jahre Flüchtlingsrat Oberhausen. Weil die Not der Tamilen und Roma damals so offensichtlich war, ist er gegründet worden. Arbeitslos ist das Gremium nie geworden. Denn die Not ist geblieben.
Nur spiegelt sie sich heute in anderen Gesichtern. Zum Beispiel in dem von Aria Teimori, der mit 16 Jahren vor Gewalt und Missbrauch aus dem Iran floh – und ein Jahr später immer noch auf sich alleine gestellt in Oberhausen lebt.
Anfang 2011 war der Junge aus Teheran mit Hilfe einer Tante vor seinem gewalttätigen Vater nach Deutschland geflüchtet. Im Malteserheim in Hemer (Sauerland) war er in psychologischer Behandlung und auch stationär untergebracht. Doch als er nach Oberhausen kam, wurde er „zunächst ohne Rücksicht auf seine Vorgeschichte und ohne Beachtung seines Alters einfach in einem Flüchtlingswohnheim untergebracht“, erläutert Sigrid Culemann, seit 16 Jahren beim Flüchtlingsrat aktiv. Nach mehreren Gesprächen mit dem Jugendamt erhielt der Junge dann eine Zweizimmerwohnung und einen gesetzlichen Vormund.
Zum Vormund kaum Kontakt
„Doch obwohl es ein neues Gesetz gibt, nach dem der Vormund einer regelmäßigen Berichts- und Besuchspflicht gegenüber seinem Mündel verpflichtet ist, gibt es kaum Kontakt“, stellt Culemann verärgert fest. Eine psychologische Betreuung erhalte Aria noch immer nicht.
Und da er bislang nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, sehe das Jugendamt auch keine Veranlassung, ihn – wie von ihm selbst gewünscht und wie laut Flüchtlingsrat auch gesetzlich vorgeschrieben – in einer Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen, in der er zugleich eine Therapie erhalten könnte. Vor allem aus diesem Grund sei der Junge von den städtischen Behörden inzwischen „tief enttäuscht“.
Schule vermittelt
Juliane Dietze, seit 1991 beim Flüchtlingsrat in Oberhausen aktiv, kann es nicht fassen: „Wenn wir uns nicht kümmern würden, es würde wohl niemand tun – zumindest nicht in dieser Regelmäßigkeit.“ Und so fährt sie morgens in die Wohnung des Jungen, um ihn zu wecken, damit er pünktlich zur Schule kommt, die er seit einem Jahr dank der Vermittlung des Flüchtlingsrates besucht. „Sein Wecker ist kaputt“, erklärt Dietze. Sie wolle jetzt einen neuen kaufen. Bis dahin spiele sie aber erst einmal den Weckdienst. „Denn wenn Aria verschläft, traut er sich nicht mehr in die Schule.“ Schlimmer noch: „Fehlt er einen Tag unentschuldigt, traut er sich auch am nächsten Tag nicht hin, weil er sich dafür so fürchterlich schämt.“ Aria sei halt trotz seiner 17 Jahre vor allem noch ein Junge, der Halt brauche.
Immerhin bestehe jetzt die berechtigte Hoffnung, dass er als Flüchtling anerkannt werde. „Die Asylanhörung im Bundesamt Dortmund ist gut für ihn verlaufen“, freuen sich die Mitglieder des Flüchtlingsrates. Aria Teimori half sein neu gefundener Glaube, diese schwere Zeit zu überstehen, wie er selbst sagt. In Hemer trat er vom Islam zum evangelischen Christentum über. Sollte er in den Iran zurückkehren müssen, würde ihm dort als Konvertit die Todesstrafe drohen.
In die Gemeinde einbinden
Ein Jugendleiter der Gemeinde Königshardt-Schmachtendorf wurde jetzt auf den Jungen aufmerksam. Er will nun gucken, inwieweit er ihn in die Jugendarbeit einbinden kann.
Eine Stellungnahme der Stadt zu diesem Fall stand gestern bis Redaktionsschluss noch aus, soll aber noch erfolgen.
Die Einzelfallhilfe für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge macht bis heute einen Großteil der Arbeit des Oberhausener Flüchtlingsrates aus. Die wäre nicht halb so effektiv, wenn die Mitglieder in den letzten 25 Jahren nicht ein so dichtes Netzwerk aufgebaut hätten. Intensiv sind die Kontakte etwa zum Ev. Kirchenkreis Oberhausen, bestätigt Evelyn Meinhard von der Flüchtlingsberatungsstelle, die darüber hinaus ebenfalls seit 1989 ehrenamtlich im Flüchtlingsrat aktiv ist. Außerdem dabei: Sozialarbeiterin Gabriela Urban vom Jugendmigrationsdienst, der seit Januar 2012 für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge zuständig ist. Über diese Tätigkeit fand Urban schließlich auch zum Flüchtlingsrat. Denn dort gab es, „unbürokratische Hilfe in rechtlichen und bei allen Sachfragen“.
Soll heißen: Fehlt Flüchtlingsfamilien das Geld, um Pässe beantragen, den Rechtsanwalt, das Busticket oder Windeln bezahlen zu können, führt sie einer der ersten Gänge zum Flüchtlingsrat. Der eingetragene Verein finanziert sich ausschließlich aus Spenden (Bank für Sozialwirtschaft, Köln, BLZ 370 205 00, Konto-Nr. 805 41 00). Davon finanziert der Flüchtlingsrat unter anderem auch Sprachförderungsangebote in den Flüchtlingsheimen an der Bahnstraße sowie an der Gabelstraße.
Aber auch politisch ist der Rat aktiv und setzt sich zurzeit für eine Erhöhung der Sätze für Flüchtlinge ein. „Die liegen schon seit fast 40 Jahren bei 30 bis 40 Prozent unter den Bezügen für Hartz-IV-Empfänger“, kritisiert Meinhard. Ein großes Interesse hat der Flüchtlingsrat außerdem an einer Änderung der Bleiberechtsregelung: „Denn an eines können wir uns nie gewöhnen: Wenn Menschen, die seit Jahren hier leben, eines Tages doch abgeschoben werden.“