Oberhausen. Die Stadt will jetzt einen zusätzlichen Kanal in Schmachtendorf bauen. Überschwemmungen sind aber auch dann nicht ausgeschlossen.
In den Urlaub zu fahren, das traut sich Brigitte Herzog schon bald nicht mehr. „Was, wenn es wieder so heftig regnet?“, gibt die Schmachtendorferin zu bedenken. Vier Mal in nur zwei Jahren stand nach starken Unwetter das Abwasser über einen Meter hoch in ihrem Garten an der Lütticher Straße – zuletzt vergangene Woche. Das Kanalnetz war völlig überlastet, so dass eine stinkende Jauche einige Gullydeckel aufstieß und vier benachbarte Grundstücke überflutete. Nun haben die Anwohner einen erbosten Brief an Oberbürgermeister Klaus Wehling geschrieben: „Wir fordern Sie auf, Abhilfe zu schaffen.“
Und wirklich soll das Kanalnetz rund um den Holtener Bahnhof bald deutlich leistungsfähiger werden: Über eine Strecke von 1,5 Kilometern sollen neue und größere Abwasserleitungen verlegt werden. 2010 haben die Planungen zu diesem Riesenprojekt begonnen. Sechs Jahre sollen die Arbeiten andauern, eine zweistellige Millionensumme rechnet die Verwaltung dafür ein. Allerdings: Überschwemmungen nach so genannten Jahrhundertregen wie vergangene Woche sind damit wohl weiterhin an der Lütticher Straße nicht ausgeschlossen.
Nicht nur der Kanal wird ausgebaut
Der Oberhausener Norden mit seinen Wald- und Wiesengebieten hat den Ruf einer grünen Lunge. Das lockt Zuzügler an: Zahlreiche Neubausiedlungen sind in den vergangenen Jahrzehnten entstanden. Wo also früher Regenwasser auf Grünflächen langsam versickerte, rauscht es heute über versiegelte und bebaute Grundstücke direkt ins Kanalnetz. Abwasser aus Schmachtendorf fließt bisher über einen Kanal unterhalb der Schmachtendorfer und Bahnstraße ab. Geplant ist nun, das Abwasser auf zwei Trassen zu verteilen: Neben dem bestehenden soll ein neuer Kanal gelegt werden.
Von der Kreuzung Forst- und Oranienstraße führt dieser entlang der Oranienstraße bis zum Bahnhof Holten und weiter zur Bahnstraße, wo er an der Straße Am Handbach auf das vorhandene Kanalnetz stoßen soll. Nicht nur der Kanal wird ausgebaut, sondern auch gleich die holprigen Fahrbahndecken an der Oranien- und Bahnstraße erneuert.
"Das Kanalnetz wird leistungsfähiger"
Frühstens 2014 beginnen diese Arbeiten nach derzeitigem Stand – ein erstes Stück Kanal soll bereits Anfang 2013 gelegt werden. Dann entsteht an der Weseler, Ecke Schmachtendorfer Straße ein neuer Kreisverkehr.
Die geplante neue Kanaltrasse führt um die Lütticher Straße herum – die Leitungen dort werden also entlastet. Und zudem saniert, Bergbauschäden sollen ausgebessert werden. „Trotzdem kann es erneut zu Überschwemmungen kommen, wenn so ein heftiger Regen fällt wie vergangene Woche“, sagt Planungsdezernent Peter Klunk. „Das Kanalnetz wird leistungsfähiger, aber die Nutzbarkeit ist trotzdem endlich.“
30 Liter pro Quadratmeter
Innerhalb von nur einer Stunde, so haben die Wirtschaftsbetriebe WBO gemessen, waren am Nachmittag des 23. Mai Niederschlagsmengen von über 30 Litern pro Quadratmeter gefallen – diese Mengen übersteigen die Kapazität des Kanalnetzes um 30 Prozent.
„Solche Wassermengen packt das Kanalnetz nicht. Dafür ist es nicht ausgelegt“, räumt Ingenieur Klaus in der Beek von der WBO ein. „Das wäre aber auch gar nicht wirtschaftlich. Man würde ein Kanalnetz vorhalten, das nur selten voll ausgelastet ist.“ Die Kosten wären um ein Vielfaches höher. In der Beek: „Niemand käme auf die Idee, eine Anliegerstraße zehnmal so breit bauen, nur weil dort alle 30 Jahre ein Volksfest stattfindet, zu dem jeder mit dem Auto kommt.“