Oberhausen. . Auf dem Frühstückstisch der Blochs ist es ziemlich feucht. Rein virtuell betrachtet. Für die Produktion des Essens wurde so viel Wasser verbraucht wie in ein kleines Schwimmbecken passt.
Schon an der Wohnungstür duftet es nach frisch gebackenen Brötchen. Verschiedenste Marmeladensorten stehen auf dem Tisch, ein Nuss-Nougat-Aufstrich, auch Käse und Aufschnitt, dazu Kaffee und Kakao. Das gemeinsame Frühstück am Sonntag ist der Familie Bloch wichtig. Dann sitzen Ulrike und Ralf Bloch mit ihren vier Kindern zusammen, sprechen über die vergangene Woche und ihre Pläne für die kommenden Tage.
Die beiden Ältesten fehlen diesmal am Tisch, deshalb haben die Blochs Andreas Görlitz, einen Freund der Familie, eingeladen. Selbst gebackene Laugenbrezel hat er mitgebracht, überhaupt sind nur wenige Produkte auf dem Tisch gekauft. „Wer etwas selbst herstellt, der weiß, was drin steckt“, sagt Ulrike Bloch.
Wasserverbrauch reduziert sich nicht auf Trinkwasser
Was steckt denn zum Beispiel in einem Weizenbrötchen? Klar, Mehl. Hefe, Zucker, Salz. Und rund 20 ml Wasser. Laut Rezept. Tatsächlich braucht es sehr viel mehr Wasser für die Produktion eines einzelnen Brötchens: knapp 140 Liter Wasser. So viel ist notwendig, um den Weizen zu bewässern, das Salz zu veredeln, feinen Zucker zu gewinnen. 140 Liter Wasser für ein Weizenbrötchen.
Unter einem schonenden Umgang mit der Ressource Wasser wird generell verstanden, dass man Trinkwasser spart. Dass sich auch unsere Ernährung und der Konsum von Waren auf unseren Wasserverbrauch auswirken, ist hingegen weniger bekannt.
"Virtueller Wasserverbrauch" bei 3870 Litern pro Tag
Das Stichwort in diesem Zusammenhang heißt „Virtuelles Wasser“. Der Londoner Professor John Anthony Allan hat diesen Begriff 1993 geprägt. Er meinte damit, welche Wassermengen zur Herstellung etwa einer Tomate, einer Jeans oder auch eines Mikrochips genutzt werden. Das UNESCO-IHE Institut für Wassererziehung hat diese Mengen für verschiedenste Produkte genau berechnet und festgehalten: Beim virtuellen Wasser sind wir weitaus weniger sparsam.
130 Liter Trinkwasser verbrauchen wir am Tag, dazu kommen 3870 Liter virtuelles Wasser. Mit anderen Worten: 97 Prozent unseres täglichen Wasserverbrauchs wird für die Herstellung unserer Lebensmittel, Kleidung, aber auch Elektro-Geräte genutzt.
Unterschiedliche Wasserkosten bei Produktion
Warum ist das nun so wichtig? Wasser haben wir im Ruhrgebiet doch in Hülle und Fülle. Das ist richtig ist, sagt Siegfried Gendries von der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft RWW. Aber: „Anders sieht es in vielen Ländern aus, aus denen wir viele Produkte importieren. Außerdem wird beim Import nur selten darauf geachtet, wie wasserschonend und effektiv Produktionsmethoden sind.“ Auch im Preis spiegelt sich das nicht wider.
Aus Angaben der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz etwa geht hervor, dass für den Anbau von Baumwolle in Usbekistan etwa doppelt so viel Wasser (4500 l/kg) notwendig wie für den Anbau in den USA (2200 l/kg). Eine Kartoffel aus Deutschland schneidet mit 119 l/kg besser ab als die aus Israel (203 l/kg), 15 Rosen aus Ostafrika brauchen gleich eine ganze Badewanne voll Wasser (150l). Gendries: „Wenn wir aus einem wasserknappen Land wasserintensive Produkte importieren, verstärken wir den Ressourcenstreit vor Ort.“ Verteilungskämpfe, Migration in westliche Länder sind bereits eingetroffenen Folgen.
Regionale Waren sind wasserschonender
Was kann man tun? Ulrike Bloch hat intuitiv die richtige Antwort parat: „Mich ärgert es immer, wenn es kein regionales Obst und Gemüse zu kaufen gibt.“ In der Regel sind regionale, weil saisonale Produkte wasserschonend. Wer zudem häufiger auf Fleisch verzichtet, spart damit massiv Wasser (siehe Tabelle).
Wie viel virtuelles Wasser steht denn auf dem Frühstückstisch der Blochs? Drei Tassen Kaffee: 420 Liter. Zwei Tassen Kakao: rd. 500 Liter. Weil viele der Lebensmittel selbst gemacht sind, bleibt der genaue Wasser-Stand letztlich aber schwierig zu berechnen. Siegfried Gendries warnt zudem vor der reinen Statistik: „Konsumenten sollten ihr Bewusstsein für diese Fragen schärfen und kritisch hinterfragen, was sie aus welchem Land kaufen.“