Oberhausen.

„Der eine hat Suchtprobleme, der andere einen depressiven Partner, viele haben Schulden, und wieder andere erfahren, dass sie Krebs haben“, berichtet Wilfried Leitner. Die Gründe, warum Arbeitnehmer einen betrieblichen Sozialarbeiter wie ihn aufsuchen, sind vielfältig. Das Besondere daran: Leitner ist der erste Sozialarbeiter, der direkt bei einem Zeitarbeitsunternehmen angestellt ist.

Seit einigen Monaten arbeitet der 55-Jährige beim Oberhausener Unternehmen „Hoffmann Personaldienstleitungsgruppe“. Die Zeitarbeitsfirma hat rund 500 Angestellte, die unter anderem in den Bereichen Technik, Schweißen, Malerei und Pflege eingesetzt werden. Früher waren die Personaldisponenten für alle Belange, auch die sozialen zuständig. Mit Wilfried Leitner hat jetzt erstmals ein professionell ausgebildeter Sozialarbeiter diesen Bereich übernommen, der auch als Familientherapeut und Suchtberater geschult ist.

"Wir stellen kein Produkt her"

Zuletzt arbeitete Leitner bei Opel in Bochum. Die psychosoziale Beratung in einer Zeitarbeitsfirma unterscheide sich davon durchaus, sagt der Sozialarbeiter. „Wir bewegen uns hier in einer Branche, in der es so etwas nie gegeben hat.“

Insgesamt waren nach Angaben der IG Metall Mitte 2011 in Deutschland rund 900 000 Menschen bei knapp 17 400 Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Hoffmann-Geschäftsführer Andreas Hoffmann und Martin Sprünken heben die große Bedeutung professioneller sozialer Betreuung für ihr Unternehmen hervor. „Wir stellen kein Produkt her, sondern wir haben unsere Mitarbeiter. Daher ist es für uns wichtig, dass sie gerne und gesund zur Arbeit gehen“, sagt Hoffmann.

„Mit der psychosozialen Beratung sollen die Mitarbeiter bei persönlichen Problemen unterstützt und ihr eigenverantwortliches Handeln gefördert werden“, sagt Leitner. Es geht um Vertrauen, dass das Unternehmen zusätzlich aufbauen will. Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen. Leitner unterliegt der Schweigepflicht.

Unternehmen will Vertrauen aufbauen

So muss keiner Angst haben, dass Informationen nach draußen dringen. Selbst der Telefonanschluss Leitners ist so konzipiert, dass aus dem Unternehmen keiner die Anrufe zurückverfolgen kann.

Nach Ansicht von Wolfram Linke vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) in Münster könnte die Etablierung sozialer Standards für Leiharbeitsfirmen ein Vorteil im Wettbewerb um gute Mitarbeiter sein. Auch in der Zeitarbeitsbranche mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar. „Da ist dann so eine psychosoziale Beratung durchaus ein Standortvorteil für ein Zeitarbeitsunternehmen im Kampf um künftige Mitarbeiter“, sagt Linke.

Stigma derAusbeutung

Hoffmann Zeitarbeit will mit dieser Initiative auch gegen das schlechte Image der Leiharbeit angehen. Der Branche haftet das Stigma der Ausbeutung und des skrupellosen Umgangs mit Mitarbeitern an. Einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge verdienen Leiharbeiter bis zu 50 Prozent weniger als die Stammbelegschaft der Unternehmen, in denen sie eingesetzt werden.

Auch die IG Metall veröffentlichte ihr aktuelles „Schwarzbuch Leiharbeit“, in dem Zeitarbeiter über niedrige Löhne und fehlende Übernahmechancen klagen. „Wir haben Mitarbeiter, die schon mehrere Jahre bei uns arbeiten, weil sie sich wohlfühlen“, betont dagegen Sprünken von Hoffmann Zeitarbeit. „Aber ich weiß natürlich, dass es immer noch Unternehmen gibt, die schlecht mit ihren Leuten umgehen.“

Die Branche beobachtet die Oberhausener Initiative mit Interesse, berichtet ein Sprecher des Zeitarbeitsberufsverbandes IGZ. „Die Nachfrage nach Informationen über Sozialarbeit ist jetzt schon enorm.“