Oberhausen. .

Wer etwa der Meinung war, nach ca. einem halben Dutzend umjubelter Konzerte könne man wissen, was von Haiou Zhang zu erwarten war, hatte sich getäuscht. Bei Kenntnisnahme des Programms der vierten Festivalveranstaltung des Künstlerfördervereins drängte sich zunächst die Frage auf, was ein „Superpianist“, den man bisher als überrumpelnden Interpreten der schwierigsten Werke kennen gelernt hatte, mit vergleichsweise „leichten“ Stücken von Mozart anfangen würde. Fazit: Er spielte sie so, dass man das Gefühl hatte, sie ganz neu zu hören. Jenseitig-versunkene Meditation etwa zu Beginn der d-moll-Fantasie, sehr langsam, aber mit enormer Innenspannung.

Auch in den schnelleren Teilen, etwa in der F-Dur-Sonate KV 332, eine bis in die kleinste Nuance beseelte Klangrede, die ihre Eindringlichkeit aus der Gestaltung des inneren Zusammenhanges gewann. Mit Chopins b-moll-Sonate kam man dann in Gefilde, in denen man Haiou Zhang schon öfter begegnet war. Wie er allerdings dieses gespenstisch-düstere Drama, in das hin und wieder ein überirdisches Licht einbricht, am Ende in Schwärze und panischer Auflösung versinken lässt, das erlebt man nicht alle Tage.

Nie nur geschmäcklerische Aesthetik

Seine ganze unerhörte Klangkunst, die aber nie nur geschmäcklerische Aesthetik ist, sondern seelische Befindlichkeiten bis in die feinste Verästelung widerspiegelt, entfaltete er dann in Liszts Petrarca-Sonett 123. Die spürbar betroffenen Zuhörer ersparten sich das triviale Beifallsklatschen auch noch nach der folgenden „Vogelpredigt des Hl. Franz von Assisi“. Erst die in impressionistischer Farbenpracht sprudelnden „Wasserspiele der Villa d´Este“ brachten so etwas wie eine Lösung des Banns, dann aber umso nachhaltiger.

Was Haiou Zhang in einer eigenen Bearbeitung von Liszts 2. Ungarischer Rhapsodie an lustvoll ausgespielter, geradezu perfider Raffinesse und schließlich in einer regelrechten Explosion von Virtuosität vom Stapel ließ, riss die Zuhörer zu stehenden Ovationen hin. In offensichtlicher Spiellaune kamen noch drei Zugaben: Debussy, Liszt und ein halsbrecherisches Kabinettstückchen von Moszkowski.

Bereits vor einiger Zeit stellte sich die Frage an dieser Stelle, wohin die Entwicklung diesen jungen Mann noch führen könnte. Haiou Zhangs Antwort: „Es ist noch viel Platz“. Wir dürfen uns auf weitere Begegnungen mit ihm freuen.