Oberhausen. K.-O.-Tropfen sind gefährlich, kommen in Oberhausen aber zum Glück nur selten zum Einsatz.

Im vergangenen Jahr startete das NRW-Justizministerium die Initiative „Lass Dich nicht K.O.-Tropfen“. K.O.-Tropfen – auch als Liquid Ecstasy bekannt – sind tückisch, weil man Opfer damit in kurzer Zeit völlig willenlos machen kann.

In Oberhausen spielen Übergriffe mit der meist farblosen und geschmacksneutralen Flüssigkeit allerdings eine sehr untergeordnete Rolle. Den für Sexualdelikte zuständigen Kriminalober- bzw. Hauptkommissarinnen Nicole Koppenborg und Anja Kurz sind kaum Fälle bekannt, in denen Frauen mit K.O.-Tropfen außer Gefecht gesetzt und sexuell missbraucht wurden.

Anja Kurz erinnert sich allerdings an eine Geschichte, bei der sie ziemlich sicher davon ausgeht, dass man Opfern K.O.-Tropfen verabreicht hatte. „Die beiden Frauen waren in einem Lokal“, erzählt sie. Flüchtige Bekannte gaben ihnen etwas zu trinken. Anja Kurz: „Danach fühlten sich die Frauen schlapp.“ Sie wurden in eine Wohnung gebracht, in der es zu sexuellen Übergriffen kam, an die sich die Opfer später lückenhaft erinnerten.

Ein weiteres Schicksal, bei dem ebenfalls K.-O.-Tropfen im Spiel gewesen sein könnten: Nach einer Raving-Nightmare-Party in der Turbinenhalle, wusste ein Mädchen hinterher nicht mehr, was mit ihm passiert war. Anja Kurz: „Es konnte nicht einmal ermittelt werden, ob ein sexueller Übergriff stattgefunden hat.“ Das sei eine Geschichte, die Frauen sehr belaste, sagt Nicole Koppenborg.

Höchstens zwölf Stunden nachweisbar

Doch Liquid Ecstasy kommt in Oberhausen wohl eher selten zum Einsatz. „Wir müssen uns von dem Gedanken frei machen, dass es hier in Oberhausen jedes Wochenende Opfer von K.O.-Tropfen gibt“, erklärt Anja Kurz. „Häufiger haben wir Fälle“, sagt Nicole Koppenborg, „in denen ein Opfer behauptet, K.O.-Tropfen bekommen zu haben, wo wir aber glauben, dass das nicht der Fall war“.

Meist setze starker Alkoholgenuss die Leute außer Gefecht. Nicole Koppenborg: „Eines der Probleme ist, dass die Geschädigten sich nicht eingestehen wollen, wie viel sie getrunken haben.“ Und Polizeisprecher Uwe Weighardt weiß: „Die Kids benutzen Liquid Ecstasy gerne als Rechtfertigung, wenn sie viel zu spät nach Hause kommen.“ Wenn die Eltern nur K.O.-Tropfen hörten, sagten sie sofort „meine arme Tochter“. „Und dann ist das Kind aus der Nummer raus“, erklärt Weighardt.

Ob tatsächlich Liquid-Ecstasy im Spiel war, lässt sich auch so schwer feststellen, weil der Stoff im Blut nur wenige und im Urin höchstens zwölf Stunden nachweisbar ist. Da die Tropfen die Opfer aber für lange Zeit handlungsunfähig machen, können sie fast immer erst zur Polizei gehen, wenn es für den Nachweis des Stoffes schon zu spät ist.

124 Verdachtsfälle in NRW

Übrigens werden nicht nur K.-O.-Tropfen benutzt, um Opfer fertig zu machen. Auch Beruhigungsmittel in Verbindung mit viel Alkohol haben die für Täter erwünschte Wirkung. Die Kriminalkommissarinnen raten für alle Fälle: „Man sollte auf sein Getränk achtgeben, es selber in Empfang nehmen und nachhaken, wenn jemand gestützt aus einer Disco bugsiert wird.“ Außerdem wichtig: „Den eigenen Alkoholkonsum im Auge behalten“, sagt Anja Kurz.

Einige Zahlen: In der Zeit von Januar 2008 bis September 2009 wurden in Nordrhein-Westfalen 124 Verdachtsfälle von Verbrechen unter Einsatz von K.O.-Tropfen angezeigt. 77 seien in Gaststätten, 28 in Wohnungen verübt worden. In 31 der angezeigten Fälle war ein Sexualdelikt im Spiel. Bei 64 Fällen sei es um Körperverletzung und bei 17 Fälle um Raub oder Diebstahl gegangen.

„Wir haben uns an der Kampagne des Justizministeriums ‘Lass Dich nicht K.O.-Tropfen’ beteiligt“, sagt Thorsten Hellweg, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein.

Gaststätten können Gefahr reduzieren

Das heißt, in Gaststätten wurden Bierdeckel zur Kampagne und Informationsbroschüren verteilt. „Darin finden sich Handlungsanweisungen für potenzielle Opfer“, sagt Hellweg.

Er findet es wichtig, über das Thema K.-O.-Tropfen sachlich zu berichten. „Es ist eine Gefahr, aber kein Flächenbrand“, macht auch der Dehoga-Sprecher deutlich, dass die gefährlichen Tropfen in dieser Region nicht allzu oft zum Einsatz kommen.

Laut Hellweg gibt es zwei Voraussetzungen, die Gaststätten erfüllen können. „Sie können durch die Ausgabe von Flaschengetränken die Gefahr reduzieren“, weiß Hellweg. Außerdem sollten Gaststättenbetreiber Mitarbeiter am besten im Beisein von Polizeibeamten offensiv schulen, aufmerksam zu sein.