Schätze und Schätzchen im Oberhausener Stadtarchiv
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Oberhausen. Zum heutigen Tag der Archive besuchte die NRZ das Stadtarchiv auf dem Tackenberg.
Ein Schädel aus der Jungsteinzeit, Tongefäße, darunter diverse Krüge, Scherben und eine Urne, die bei Baggerarbeiten gefunden wurde, ein kleines Eisenspielzeug, das auf dem Klostergelände ausgegraben wurde, ein Pergament, das vom 25. Mai 1461 datiert und Tausch und Verkauf von Immobilienbesitz aus dem Westerholt-Bestand besiegelt: Auch wenn’s hier nicht glänzt und funkelt wie in einer Domschatzkammer, das Ambiente von eher schlichtem Charme ist – das Oberhausener Stadtarchiv hat manches an Schätzen und Schätzchen aufzubieten. Zum heutigen „Tag der Archive“ hat Stadtachivleiter Dr. Otto Dickau der NRZ einen Blick in sein Reich der Regale und Vitrinen gewährt.
Ein Lieblingsstück hat der Stadtarchivar nicht: „Jedes Stück hat für mich seinen ganz besonderen Reiz“, erzählt er – und auch, dass Schaustücke in den Vitrinen wie die Ausgrabungsfunde oder die dem Archiv geschenkte Bergbau-Sammlung eines Alstadener „Püttrologen“ nur den kleinsten Teil der Archivalien ausmachen: „90 Prozent ist Flachware“. Flachware? „Schriftliche Hinterlassenschaften“, erklärt der Archivexperte: „Was man eben so flach auf den Tisch legen kann.“ Also Bauakten von Gebäuden, die längst der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind, alte Einwohnermelderegister, alte Personalakten, Zeugnisse und Co.
Fundgrube für Historiker und andere Interessierte
Manches, das Jahre und Jahrzehnte unbeachtet in den rund 1,8 Kilometer laufende Regalfläche schlummert, manches aber auch, das immer wieder für Historiker und andere Interessierte zur Fundgrube wird. Wie die Personalakte des Feuerwehrchefs aus der NS-Zeit: „Darin hat ein Mitarbeiter Dokumente entdeckt, die ziemlich genau Aufschluss darüber gaben, welche unrühmliche Rolle dieser beim Synagogenbrand 1938 innehatte.“ Erst kürzlich recherchieren wieder Schulklassen, um für die anstehende Stolpersteinverlegung Näheres über die Geschichte ehemaliger Oberhausener herauszufinden, die Opfer des NS-Terrors wurden.
Auch alte Hausakten können Geschichten erzählen: „Ich hab Akten aus Alstaden gefunden von Häusern, die’s heut längst nicht mehr gibt. Da waren Fotos von der Zeit gleich nach dem Zweiten Weltkrieg drin.“ Dokumente der Zerstörung einerseits, andererseits aber auch dokumentierte Schicksale: „Da stand an einem halb zerbombten Haus – ganz groß mit Kreide geschrieben – ,Wir leben noch’. An einem anderen: ,Wir wohnen jetzt bei ....’ Mitteilungen für Kriegsheimkehrer. „Wenn ich da heute vorbeikomme, merke ich dass man mit diesem Wissen doch mit ganz anderen Augen durch die Stadt fährt.“ Und mit ganz anderen Augen auf verstaubte Archiv-Akten guckt.
Die Odyssee der Oberhausener Archivalien
Schon in der Spätantike finden sich Hinweise auf Stellen, an denen amtliche Schriftstücke, die dauerhaft erhalten werden sollten, nach Plan aufbewahrt wurden. Demgegenüber ist das Stadtarchivwesen in Oberhausen vergleichsweise jung – erst 1938 nahm das Archiv in vier Erdgeschossräumen des alten Rathauses an der Schwartzstraße seinen Betrieb auf, wie Jürgen Gerhardt im Jahrbuch der Stadt von 1991 beschreibt.
Dafür haben die aufzubewahrenden Schriftstücke und anderen Gegenstände allerdings schon eine beachtliche Odyssee hinter sich: Durch die zunehmenden Luftangriffe in den Jahren 1941 bis 1944 sah sich die Verwaltung gezwungen, stadtgeschichtlich bedeutsame Urkunden, Akten, Pläne und Ähnliches im Bunker am Stadttheater und im Verwahrgelass der Stadtkasse im Rathauskeller zu schützen. Auch im Stollen einer Zeche und an diversen anderen Orten waren Dokumente eingelagert. In dieser Zeit ging eine unbekannte Zahl historisch wertvoller Unterlagen verloren, wurde vernichtet oder entwendet.
Seit 1995 an der Tackenbergstraße
1948 wurden als neuer Archiv-Standort fünf Räume im Obergeschoss des Elsa-Brändström-Gymnasiums ausgeguckt, von wo die Akten 1955 wegen steigender Schülerzahlen weichen mussten. Bis 1965 war das Archiv in der damaligen Moltkeschule (Ecke Hermann-Albertz/Friedenstraße) untergebracht. Danach ging’s in Nebengebäude des Schlosses Oberhausen. Seit 1995 ist das Stadtarchiv an der Tackenberggstraße beheimatet, wo es schon wieder aus allen Nähten platzt.
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