Oberhausen. .

Die Leitungen bei der WAZ-Telefonaktion zum Thema Darmkrebs waren gestern gut ausgelastet. Mehr als 40 Anrufer suchten Rat bei den Experten der Sterkrader St. Clemens Hospitale, Chefarzt Dr. Klaus Becker und den Oberärztinnen Dr. Jutta Schneider und Alice Jacek. In der Mehrheit waren es Betroffene, die Erfahrungen mit Darmerkrankungen hatten, oder Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, ob eine Vorsorgeuntersuchung für sie sinnvoll ist.

„Oft wird die Frage gestellt, ob eine Darmspiegelung auch im Krankenhaus stattfinden kann“, fasst Dr. Klaus Becker zusammen und antwortet: „Ja, wenn es Beschwerden gibt. Nein, wenn der Patient beschwerdefrei ist, aber vorsorglich nachschauen lassen will.“ Im letzten Fall tragen die Krankenkassen die Kosten ab dem 55. Lebensjahr - übrigens erst seit 2002. Im Beschwerdefall zahlen die Kassen die Untersuchung immer, so Becker. Inzwischen zeigten die rückläufigen Todesfall-Zahlen bei Darmkrebs, dass diese Vorsorge Sinn macht – und sich für die Kassen auch rechnen.

90% Heilungschancen bei Früherkennung

Becker: „Darmkrebs geht fast immer von gutartigen Vorstufen aus, sogenannten Polypen. Die können bei einer Spiegelung leicht abgetragen werden.“ Insofern könne man von einer Vorsorge und nicht nur einer Früherkennung sprechen. Zudem sei heute ein früh erkannter Darmkrebs zu 90 Prozent heilbar.

Kein Vergnügen, das bestätigten Anrufer, sei die vor einer Spiegelung notwendige Prozedur des Abführens und die damit verbundene Aufnahme von mehreren Litern Salzlösung. Dr. Jutta Schneider: „Aber je besser das geschieht, desto präziser die Diagnosen.“

Stuhltests, ebenfalls als Vorsorgemöglichkeit eingesetzt, sieht Becker skeptisch: „Die von den Kassen finanzierten haben eine Vorhersagegenauigkeit von nur rund 15 Prozent. Die Spiegelung liegt bei rund 90 Prozent.“

Frauen sind interessierter an Vorsorgemaßnahmen

Für die Früherkennung ungeeignet seien auch die Kamerakapseln, die im St. Clemens vor allem bei unklaren Blutungen eingesetzt werden, „und da gute Dienste leisten“, sagt Becker. Bei ihrer Reise durch den Darm schießen die Kameras insgesamt rund 20 000 Bilder: „Und die muss man erst mal auswerten, zumal die Computerprogramme, die bei der Auswertung helfen, nicht so gut sind.“ Und dann müsse die Kamera genau zu der Zeit auslösen, wenn sie an einem Polypen vorbeirutscht. Werde ein solcher entdeckt, müsse er dennoch entfernt werden – und ums Salzlösung-Trinken komme man auch bei der Kamera nicht herum.

Bei den Anrufern zum Thema Darmkrebs waren die Frauen klar in der Mehrheit. Alice Jacek bestätigt: „Frauen haben eher einen Zugang zu diesen Themen und sind aufgeschlossener für Vorsorge- und Früherkennungsmöglichkeiten. Manchmal schicken sie auch ihre Männer zur Früherkennung.“

Telefonaktion versucht Anrufern Scheu zu nehmen

Bei einigen speziellen Probleme konnten die Experten Anrufern die Scheu nehmen, sie zur Untersuchung motivieren oder beruhigen. So erklärte Becker, dass Hämorrhoiden nicht bösartig werden: „Aber sie können andere Erkrankungen maskieren. Wenn sie Beschwerden machen, glauben Patienten, es sind ja ,nur’ Hämorrhoiden. Dabei steckt manchmal ‘was anderes dahinter.“ Auch Abführmittel stünden nicht im Verdacht, krebserregend zu sein.

Becker: „Das Thema Darm ist für viele noch immer ein Tabu, man spricht viel eher über Herz- als über Darmprobleme.“ Eine Scheu, die das Risiko einer zu späten Erkennung erhöhe.

Dass auch Mediziner von Ergebnissen einer Spiegelung dann und wann überrascht werden, erzählt der Chefarzt: „Sie glauben gar nicht, was sich im Darm so alles findet. Einmal wollte ich eine Fettgeschwulst abtragen, als dahinter ein Wurm hervor kroch. Der Patient hatte einen Hund, der lange nicht entwurmt worden war und die ganze Familie infiziert hatte. So gab es die Wurmkur für den Hund und die Familie.“