Oberhausen. Der Oberhausener Regisseur Christoph Schlingensief ist seit eineinhalb Jahren tot. Nun soll Oberhausen nach einigem Hin und Her doch noch eine Straße mit dem Namen ihres berühmtesten Sohns bekommen. Bisher war das teilweise am Widerstand von Bürgern gescheitert. Jetzt soll die Pacellistraße wohl umbenannt werden.

Lange hat sich die Stadt Oberhausen schwer getan, Christoph Schlingensief mit einem bleibenden Andenken zu ehren. Lediglich eine schlichte Bronzetafel an seinem Elternhaus erinnert derzeit an den berühmten Sohn der Stadt – in Auftrag gegeben von seiner Mutter. Doch nach langem Hin und Her soll sich das nun ändern: Die Pacellistraße, die zum Altmarkt führt, könnte bald den Namen Christoph-Schlingensief-Straße tragen. Ein entsprechender Antrag von SPD, Grünen und FDP ist vorbereitet und soll in der kommenden Sitzung der Bezirksvertretung Alt-Oberhausen am 7. März diskutiert werden.

Geringe Anwohnerzahl ausschlaggebend

Bereits vor eineinhalb Jahren, am 21. August 2010, verstarb der Theater-, Film- und Opernregisseur Schlingensief im Alter von 49 Jahren an Krebs. Eine erste Initiative zur Umbenennung der Straße „Am Altmarkt“ war vor etwa einem Jahr am Widerstand der Anwohner gescheitert, die die Kosten und Umstände einer Adressänderung fürchteten. „In der Pacellistraße wohnen aber nur eine Handvoll Menschen, und es gibt dort keine Geschäftsadressen“, erklärt Hartwig Kompa von der SPD, der den Vorschlag gemacht hat. Nach ihrem Einverständnis wurden die Anwohner bisher noch nicht gefragt, letztendlich sollten deren Einwände aber zugunsten dieser „kulturellen Entscheidung“ hintanstehen, so Kompa. Der Bauunternehmer Plassmeier, der an der Pacellistraße zurzeit neue Wohnhäuser baut, habe bereits signalisiert, dass er mit der Adressänderung einverstanden sei.

Christoph Schlingensief

Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben.
Christoph Schlingensief ist tot. In dieser Fotostrecke dokumentieren wir sein Leben. © ddp
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte.
Schlingensief wurde 1960 in Oberhausen geboren. In München studierte er Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte.
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes.
Zum Film kommt Schlingensief Anfang der 80er Jahre als Assistent des Experimentalfilmers Prof. Werner Nekes. © ddp
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel
Sein eigener erster Langfilm wird 1987 mit dem Titel "Tunguska - Die Kisten sind da" veröffentlicht.
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt.
Bekannt wird er jedoch erst zwischen 1989 und 1992, weil seine Deutschlandtriologie für Diskussionen sorgt. © WAZ
Die Triologie besteht aus den Filmen
Die Triologie besteht aus den Filmen "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzten Stunden im Führerbunker", "Das Deutsche Kettensägenmassaker" und "Terror 2000 - Intensivstation Deutschland".
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel:
1998 folgt sein Theaterdebüt mit dem Titel: "100 Jahre CDU - Spiel ohne Grenzen". Im gleichen Jahr gründet er auch die Partei "Chance 2000".
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen
2007 bekommt Christoph Schlingensief den Ruhrpreis der Stadt Mülheim, hier zu sehen mit dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten. Zuvor versucht er sich als TV-Moderator der medienkritischen Sendungen "Talk 2000" und "U 3000". © NRZ
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow
Im Jahr 2000 sorgte Schlingensief vor allem in Österreich für Diskussionen: Dort stellte er Container vor die Staatsoper. Die Idee stammte aus der Fernsehshow "Big Brother", nur das Schlingensief Asylbewerber in dem Container wohnen ließ. Das Ganze sorgte über Wochen für politische Diskussionen. © ddp
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren.
Seine erste Oper inszeniert Schlingensief 2004 im Rahmen der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. Zwei Jahre später verabschiedet er sich für immer vom Theater, um sich auf seine Filme zu konzentrieren. © ddp
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder.
Bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin 2009 ist Christoph Schlingensief eines der Jury-Mitglieder. © ddp
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde.
Mit der Zusage Schlingensiefs als Jury-Mitglied bei der Berlinale 2009 hatte zunächst niemand gerechnet, da 2008 Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert wurde. © AP
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009.
Zusammen mit Tilda Swinton, der Präsidentin der internationalen Jury der Berlinale, gibt Jury-Mitglied Christoph Schlingensief in Berlin die Eröffnungs-Pressekonferenz der Berlinale 2009. © AP
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht...
Trotz der Diagnose gibt sich Schlingensief enspannt mit Kollegin Tilda Swinton, vielleicht... © ddp
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt:
...auch weil er sich durch seine Lebensgefährtin Aino Laberenz bestärkt fühlt: "Sie hat mir sehr extrem geholfen in dieser ganzen Zeit. Ohne sie wäre ich da nicht so durchgekommen." © ddp
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben.
Das Paar hält zusammen: Schlingensiefs mittlerweile Verlobte Aino Laberenz begleitet den Regisseur zur Berlinale 2009. Im November 2009 hat sich das Paar das Ja-Wort gegeben. © ddp
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film
Platztausch: Schlingensief überreicht dieses Mal einen Preis, anstatt ihn zu bekommen. Hier bei der Berlinale 2009. Die österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr bekommt den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in dem Film "Alle Anderen". © ddp
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken
Im März 2010 erhielt Schlingensief noch den Helmut-Käutner-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Juli sagte er eine für die Ruhrtriennale geplante Produktion „S.M.A.S.H. - In Hilfe ersticken" ab. Er sehe sich nicht in der Lage, die Arbeit bis zur im August geplanten Premiere fertigzustellen. Nun erlag er im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleiden. © ddp
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Im Gespräch war zuletzt auch der Vorschlag, den Königshütter Park umzubenennen, dessen einziger Anlieger die Kurzfilmtage sind. Dass die Wahl nun doch auf die Pacellistraße gefallen ist, begründet Kompa mit der engen Verbindung Christoph Schlingensiefs zu diesem Ort.

Kirche berät Standpunkt

In unmittelbarer Nähe des Altmarkts aufgewachsen, war Schlingensief lange Zeit Messdiener in der Herz-Jesu-Kirche, die an der Pacellistraße liegt. Für seine Inszenierung von „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ für die Ruhrtriennale 2008 bildete er das Innere des Gotteshauses nach, und auch der Trauergottesdienst für den Künstler wurde dort abgehalten. „Die Kirche spielte in Schlingensiefs Leben eine wichtige Rolle“, so Kompa. „Er hat die Pacellistraße in seinem Leben immer wieder frequentiert, insofern ist diese Straße die sinnvollste Wahl.“

Pacelli ist der bürgerliche Name von Papst Pius XII. Der Kirchenvorstand der Herz-Jesu-Kirche will sich in der kommenden Sitzung über die mögliche Straßenumbenennung austauschen.