Oberhausen. .

Wir sehen sie nicht, benutzen sie täglich und wenn sie repariert werden müssen, dann beginnt oft der Alptraum für Anwohner und Autofahrer: Monatelange Straßensperrungen, über Wochen lauter Baulärm, weite Umleitungen - und am Ende ist zwar der Wert mehrerer Einfamilienhäuser verbuddelt, doch markante Verbesserungen sind für den Laien kaum zu entdecken.

Und die Anwohner müssen häufig zahlen. Mehrere tausend Euro für glattere Bürgersteige und funzelige Energiespar-Straßenlaternen pro Grundstückeigentümer sind nach Kommunalabgabengesetz (KAG NRW) möglich.

10 Millionen Euro steckt die Stadt pro Jahr mit Hilfe ihrer 51-Prozent Tochter WBO (Wirtschaftsbetriebe Oberhausen) in die Sanierung der hundert Jahre alten unterirdischen Abwasserkanäle. Refinanziert wird dies durch die Anlieger-Beteiligungen und Abwassergebühren.

Ältester Kanal ist von 1912

Der älteste Kanal in Oberhausen stammt aus dem Jahre 1912 - keine schnöde moderne Betonröhre, sondern ein per Handarbeit von echten Maurern mit hochwertigen Tonziegeln gebauter Kanal. „Die sind wunderschön und richtige beeindruckende Bauwerke“, kann sich Diplom-Ingenieur Klaus in der Beek, Betriebsleiter des WBO-Bereichs Kanäle und Straßen, für Anlagen begeistern, die unseren Dreck zügig meist in die Emscher abfließen lassen. „An Zement wurde damals nicht gespart, diese Kanäle sind trotz ihres hohen Alters meist völlig in Ordnung.“ Zum Vergleich: Eine moderne Betonröhre ist in der Regel nur auf 60 Jahre ausgelegt.

„Weil wir stetig sanieren, sieht unser Kanalnetz in Oberhausen insgesamt aber gut aus“, meint WBO-Geschäftsführerin Maria Guthoff - und begegnet damit regelmäßig auftretende Alarmmeldungen, alle Kanäle im Revier seien in einem desaströsen Zustand.

Wie entscheidet nun aber die Stadt in Zusammenarbeit mit der WBO, welche Straßen und Kanäle aufgerissen und repariert werden? Denn schließlich können mangels Geld nicht alle Kanäle mit Schäden sofort ausgebessert werden - abgesehen von plötzlichen Rohrbrüchen.

Mit Kameras fährt die WBO regelmäßig die Hunderte Kilometer langen Abwässerkanäle in dieser Stadt ab, speichert die Filme und kann sie jederzeit digital abrufen. Hier werden alle Schäden dokumentiert. Erfasst werden auch immer Überlastungen von Kanälen - etwa wenn bei kräftigem Regen das Wasser aus den Gullydeckel fließt, weil der Kanal zu klein ist. Trotz sinkender Einwohnerzahlen müssen meist größere Röhren verlegt werden, weil die Regengüsse in den vergangenen Jahrzehnten stärker geworden sind.

Mehrwert kostet

Zudem spielt bei der Wahl der Großsanierungen auch der Straßenzustand eine Rolle, denn die Stadt selbst hat mit gut 3 Millionen Euro wesentlich geringere Mittel als die Kanalbauer zur Verfügung, Straßenbeläge funktionstüchtig zu halten. Verbessert man zudem im Rahmen des Kanalbauprogramms den Straßenzug selbst mit Laternen und Bürgersteig, kann sich die Stadt die Kosten für den Mehrwert von Anwohnern wiederholen.

Die Formel lautet also: Risse im Kanal plus zu kleiner Kanal plus kaputte Straße gleich hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Bagger anrücken.

Dabei dauern die Vorplanungen mehrere Jahre. Damit die Straße nicht sofort nach
Sanierung aufgerissen werden muss, werden bis zu 25 Firmen, die Leitungen im Stadtgebiet verlegt haben, angeschrieben, ob sie nicht ihre Leitungen in diesen Straßen gleich miterneuern wollen.

Überraschung bei Kanalarbeiten

„Wir möchten dann gerne alles in einem Guss machen: Vernünftiger Straßenaufbau, moderne Straßenlampen, ein anständiger Radweg oder Radfahrstreifen und gute Bürgersteige. Stören Wurzeln der Bäume die Leitungen, werden diese entfernt und durch neue Bäume ersetzt“, erzählt Baudezernent Peter Klunk. Die Kosten für die messbaren oberirdischen Verbesserungen können dann zum Großteil auf Anlieger umgelegt werden.

Doch bis dahin stoßen die Bauarbeiter immer wieder auf Überraschungen. Bei den laufenden Kanalarbeiten an der Duisburger Straße entdeckten sie eine kilometerlange 70-Zentimeter-Leitung, für die sich kein Eigentümer finden ließ. Anbohren ist zu gefährlich: Das Ding könnte ja explodieren. Erst einmal bauen die WBO-Experten drumherum, damit es auf der Baustelle überhaupt weitergeht.

Am Ende hoffen alle wie der oberste Kanalbauer in der Beek: „Wir wollen dann in den nächsten 30 Jahren da nichts mehr anpacken.“

900.000 Euro für ein Projekt

Die Pflicht, eine funktionstüchtige Abwasserentsorgung zu gewährleisten, obliegt per Gesetz der Kommune. In Oberhausen wickelt die Dienstleistung dafür die städtische 51-Prozent-Tochter WBO (Wirtschaftsbetriebe Oberhausen) ab, die zu 49 Prozent Remondis gehört. Die Stadt muss ein Abwasserbeseitigungskonzept für die nächsten fünf bis sieben Jahre erstellen. Der Rat verabschiedet jährlich ein Kanalbauprogramm. Die darin aufgeführten Projekte müssen allerdings nicht sofort im jeweiligen Jahr abgewickelt werden, sondern ziehen sich manchmal dahin.

Im 10-Millionen-Euro-Kanalbauprogramm 2012 sind diese Straßen- und Kanalsanierungen geplant (Auszüge):

  • 1. Einzugsgebiet Tirpitzstraße/Reinersbach: 900.000 Euro kostet die Vorflut Bocholter Str./Fuhlenbrockstr.; es wird ein Graben hergestellt und ein Becken errichtet. Auslöser war ein Kanaleinbruch an der Fuhlenbrockstraße.
  • 2. Einzugsgebiet Graßhof-straße: 900.000 Euro verschlingt die Sanierung der schadhaften Kanäle unter der Deutschen Bahn am Dännenkamp/Dellerheide.
  • 3. Nur 80.000 Euro kostet unter der Antwerpener Straße der Regen- und Schmutzwasserkanal. Der bisherige war beschädigt und zu klein.
  • 4. 150.000 Euro gehen für einen größeren Kanal unter der Ripshorster Str. 326 bis Läppkes Mühlenbach drauf. Die Straßendecke wird zweilagig überzogen - Gehweg und Bankette bleiben unverändert.
  • 5. 830.000 Euro will die Stadt an der Essener Straße (Mellinghofer bis Hausnr. 259 in der Stichstr.) für die Vergrößerung des Kanals ausgeben. Als Bauzeit geplant: September 2012 bis November 2013.
  • 6. Am RWO-Stadion an der Lindnerstraße wird ebenfalls der Kanal vergrößert (von der Kleinen Emscher bis zur Lindnerstraße) - für 640.000 Euro (März 2012 bis Januar 2013).
  • 7. Eine sehr teure Großbaustelle wird an der Hunsrückstraße errichtet . Hier sind die Kanäle schadhaft. Inklusive Fahrbahnerneuerung mit dreilagigem Deckenaufbau, Parkflächen und Gehwegen werden 900.000 Euro verbuddelt.
  • 8. Am Holtener Marktplatz, von der Siegesstraße bis zur Burgstraße, sind die Kanäle der vielen Arbeit müde geworden und nun brüchig - die Erneuerung mit Wiederherstellung der Pflasteroberfläche kostet 255.000 Euro