Wie sieht es eigentlich in der Unterwelt aus? Hier, unter der Linsingenstraße eindeutig anders, als Orpheus und Eurydike sie erlebt haben dürften. Das Parkhaus steht dort fest wie ein Berg, doch darunter ist zuweilen so einiges im Fluss — in Oberhausens größtem Regenrückhaltebecken.
Kaum jemand, der sein Auto auf dem Parkplatz des Ristorante Pina abstellt, dürfte ahnen, was sich hinter einer unscheinbaren Tür am Ende des Parkplatzes verbirgt. Durch einen kleinen Technikraum gelangt man über Treppen in das Regenrückhaltebecken. In drei Kammern passen 5325 Kubikmeter Wasser. Wenn es regnet wie verrückt, wenn der Kanal den Segen von oben nicht mehr fassen kann, dann füllen die Fluten die grauen Betonbäuche. Ansonsten würde es Land unter heißen für die Bewohner der 35 Hektar großen Fläche in der Innenstadt, für die das Becken gebaut wurde.
„400 Liter Wasser pro Sekunde laufen über den Kanal ab“, verdeutlicht Klaus in den Beek, Betriebsleiter der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO), die für das Kanalnetz zuständig sind. Wird diese Menge bei einem Starkregen überschritten, füllen sich nacheinander die drei Kammern des Regenrückhaltebeckens. Sind alle drei gefüllt, steht das Wasser im ersten Becken bis zu fünf Meter hoch, so WBO-Energieelektroniker Rainer Haefcke. Da es nicht mehr als zehn bis 15 Minuten braucht, bis so ein Becken vollgelaufen ist, existieren auch für die Mitarbeiter der WBO Sicherheitsvorschriften. Sie dürfen nur zu zweit in den Becken arbeiten. Und, so Haefcke: „Die Tür oben bleibt geöffnet, wenn hier jemand arbeitet.“ Weil dann, sobald Wasser einläuft, eine Hupe los geht. Für den Fall der Fälle hängen an einer Wand sogar orange leuchtende Rettungsringe. Ansonsten ist hier unten alles grau, die Wände sind sehr hoch, fühlt man sich ein bisschen wie Jonas im Bauch des Walfischs. Neonröhren leuchten an der Decke. Es müffelt nach Abwasser, obwohl doch nach jeder Flut sauber gemacht wird.
Bei „Flut“ sei das ein ziemliches Getöse, erzählt Haefcke. Da höre man den Kanal rauschen. Und die Pumpen machten ziemlichen Lärm. Das Wasser, das einfach von einem Becken über Öffnungen in den Wänden überläuft, fließt anschließend über Rückschlagklappen zurück. Wird in den Kanal gepumpt. „Wir haben keine zweite Netzeinspeisung“, erklärt in der Beek. Deshalb gibt es einen Notfalldiesel, so dass auch bei einem Stromausfall alles weiterläuft.
Die Anzahl der Flutungen der vergangenen Jahre macht deutlich, dass die „gefühlten“ Starkregen oft weniger sind als die tatsächlichen. So lief das Regenrückhaltebecken an der Markstraße 2008 22 Mal voll. 2009 neun Mal. Und 2010 erst sieben Mal.
Ach ja, als man das Becken 1980 auf der Fläche eines Parkplatzes baute, da setzte man das Parkhaus nicht nur darauf, um Parkplätze zu erhalten. In der Beek: „Das Gewicht des Parkhauses sorgt dafür, dass die Becken, wenn sie leer sind, nicht durch den Auftrieb des Grundwasser nach oben gedrückt werden.“
Das offene Regenrückhaltebecken an der Erzbergerstraße ist das idyllische Pedant zu dem geschlossenen in der City. Es ist so ein richtig liebliches Biotop. Sogar mit Bachlauf. Und einem Amphibienschutzzaun zur Straße hin.
Alles Oberflächenwasser von öffentlichen Flächen, Gehwegen oder Parkstreifen von der Erzbergerstraße und Teilen der Jägerstraße fließt in diesen kleinen See. „Dafür haben wir extra 900 Meter an Kanälen verlegt“, sagt WBO-Mitarbeiter Martin Schulze.
Dieses Regenrückhaltebecken hat ein Fassungsvermögen von 1300 Kubikmetern Wasser. Wobei es mit 800 Kubikmetern kontinuierlich gefüllt ist. Zusätzlich können immer 450 Kubikmeter aufgenommen werden. Schulze: „Überschüssiges Wasser wird in den Alsbach eingeleitet.“
Allerdings dürfen das nicht mehr als zehn Liter pro Sekunde sein, weil sonst die Biologie des Bachs gestört würde. Gefiltert wird das Wasser übrigens auch noch, ehe es munter in den Bach fließen darf.
Die Kosten für dieses Regenrückhaltebecken betrugen 335 000 Euro. Gefördert wurde das Projekt von der Emschergenossenschaft. Apropos Emscher: Die soll ja nun renaturiert werden. Was zur Folge haben wird, dass es irgendwann keine Mischwasserkanäle, also solche für Abwasser- und Regenwasser, mehr geben wird, wie Michael Schüll, bei der WBO zuständig für Grundsatzangelegenheiten, erklärt.
Wann es so weit sein wird? „So in 80 Jahren“, schätzt Klaus in der Beek. Bis dahin fließt also wohl noch viel Wasser in die Emscher hinein. Schon bald allerdings sollen in das Regenrückhaltebecken an der Erzbergerstraße Karpfen eingesetzt werden. „Um den Algenwuchs einzudämmen“, sagt Schulze. Ein kleiner See mit Fischen, das dürfte das Idyll dann noch zusätzlich abrunden.