Oberhausen.
Verschüchtert steht das kleine Mädchen mit den braunen Haaren in der Turnhalle. „Du bist doof, du bist ‘ne alte Brillenschlange. Mit dir will doch keiner befreundet sein“, wird sie von Sibylle angepöbelt. Prompt bauen sich Ranvir (8) und Züleyha (8) zwischen den beiden auf. „Lass sie in Ruhe“, sagt Ranvir, „sie ist doch in Ordnung“, fügt Züleya hinzu.
Die gerade noch pöbelnde Sibylle Wanders löst das Rollenspiel auf und sagt stolz: „Genau so habt ihr das richtig gemacht.“
Kinder machen das nach, was sie sehen
Natürlich ist sie kein Kind, sondern Diplom-Sportlehrerin und pädagogische Leiterin des Fördervereins „Gewaltfrei Lernen“. Sie zeigte Grundschülern der Josefschule an der Duisburger Straße, wie sie sich bei körperlicher Gewalt verteidigen, sich bei Beleidigungen behaupten und Ausgrenzung oder Mobbing gemeinsam vermeiden können. Und das alles, ohne selbst zu schlagen oder anders Gewalt anzuwenden.
„Gerade durch Rollenspiele und durch das Vormachen lernen Kinder“, erklärt sie, „was sie sehen, machen sie nach“.
Doch in diesem Nachahmen versteckt sich eine Gefahr: Gerade Jungs, die im Fernsehen Wrestling schauen, machen die brutalen Kampfhandlungen nach, ohne zu wissen, dass sie anderen wehtun. Mit ihrem Programm versucht Wanders, dieses „falsche Nachahmen“ zu verhindern.
Die Schüler der 3a kennen Sibylle Wanders und ihr Projekt bereits seit 2010. Damals lernten sie im Basiskurs Dinge wie den „Siegergriff“ zur Befreiung, wenn man an einem Arm festgehalten wird, die oben beschriebene „liebe Mauer“ oder das „Stopp-Zeichen“, dass signalisiert: Hör auf, mich zu ärgern!
„An alles konnte ich mich nicht erinnern, aber das Stopp-Zeichen benutzen wir auf dem Schulhof“, sagt Alexandra (9).
Auch Schulleiter Joachim Robbers kann das bestätigen: „Es ist schon auffällig, dass durch die Etablierung des Signals aggressives Verhalten im Keim erstickt wird. Die Kinder wissen, was es bedeutet und dass bei Nichtbeachtung eine Aufsichtsperson einschreitet.“
Gewaltfreies Lernen muss in die Ausbildung
Natürlich, sagt Wanders, müssten die Lehrer und Betreuer aus dem Ganztagsbereich mit ins Boot geholt werden. So ist in der 3a Lehrerin Monika Söhngen-Dorn bei den Übungen immer dabei.
Wanders Forderung: „Gewaltfreies Lernen muss in die Lehrerausbildung.“ So wären die Schulen in der Lage, eigene Konzepte zu entwickeln, die zu den speziellen Problemen passten.
Robbers sieht seine Schule nicht als Ausnahme: „Es gibt keine Schule, die keine Probleme mit Gewalt hat, wir gehen unsere Probleme an.“