Hunger am Morgen, nach der Schule zum Dönerstand. Bewegungsmangel, Übergewicht, Wahrnehmungsstörungen: Die Josefschule hat früh erkannt, dass sie in die Gesundheitsförderung ihrer insgesamt 125 Schüler investieren muss.

Deshalb griff Schulleiter Joachim Robbers gleich zu, als die Ruhrwerkstatt ihm eine Teilnahme am Modellprojekt Gut drauf-Mobil anbot. Das war vor einem Jahr. Inzwischen hat sich viel getan.

„Unser Team vom Gut drauf-Mobil entwickelte zusammen mit Lehrern, Eltern und Schülern ein Programm, das die Fördermaßnahmen der Schule ergänzt und das nach dem Projektende selbstständig fortgeführt werden kann”, erläutert Renate Weiß von der Ruhrwerkstatt. „Seit drei Wochen bieten unsere Mitarbeiter hier jetzt eine progressive Muskelentspannung nach Jacobsen und ein Konzentrationstraining an.”

Rasselbande

Da sitzt sie nun, die Rasselbande der 4a, Klassenlehrerin Uschi Abresch mittendrin. Vorne hat es sich Gut drauf-Mobil-Mitarbeiterin Birgit Abrahamczik auf einem Stuhl gemütlich gemacht. Mit einem Säckchen in der Hand spannen die Kinder ihre Handmuskeln an, erst die rechten, dann die linken. Jetzt sind Arme und Beine dran. Lina (9) spannt ihre Muskeln dabei so fest an, dass sie auf die Zähne beißen muss. Als das Kommando „lösen” kommt, geht ein Raunen durch die Klasse: „Ah, oh.”

„Ich finde es schön, wenn man die Hände so anspannt und dann wieder locker macht, da kommt der ganze Stress raus”, sagt Uluc (9). „Das macht Spaß”, findet Julian (10). Und Stefan (9) sagt: „Sie bringt so schöne Ideen in den Unterricht.” Alessio (10) dagegen fasziniert etwas ganz Anderes: „Ich mag das, weil wir das gemeinsam machen.”

Begeisterte Schüler

Uschi Abresch teilt die Begeisterung ihrer Schüler. Erfreut registrierte die Pädagogin nach den Entspannungsübungen: „Wir haben noch Mathe gemacht und die Kinder saßen völlig ruhig und konzentriert über ihren Aufgaben.”

Weiter geht's in die 2a. Sieben- bis Achtjährige an Mathebögen heranzuführen, benötigt in etwa so viel Geschick, wie einen Sack Flöhe zu hüten. Doch Klassenlehrerin Conny Krüger hat ihre Racker gut im Griff. Als sie aber merkt, dass den Kindern die Puste komplett ausgeht, übergibt sie an Projekttrainer Niko Babel. Ganz lautlos sollen die Schüler einen Stuhlkreis bilden. Leon (7) setzt sich mit verbundenen Augen in die Mitte. Leise wandert ein Blatt Papier durch die Runde. Es ist so still, dass man den Atem der Kinder hören kann. Plötzlich reckt Leon den Arm: „Da ist das Blatt!” Richtig. Jetzt wird gewechselt. Die Kinder sind mit Feuereifer bei der Sache. „Der Niko macht immer so schöne Spiele mit uns”, freuen sich Lea (8) und Alexandra (8). „Ja, da ist immer etwas Neues dabei”, bestätigen auch Thomas (8) und Stefana (7). „Einmal”, erzählt Achmed (8), „sollten wir die Augen schließen und er hat eine Stecknadel fallen lassen; das hört man aber nur, wenn die anderen richtig leise sind.”

Stille erfahren

Stille erfahren, sich konzentrieren: „Das ist gerade für Kinder wichtig, die an einer so befahrenen Straße wohnen und lernen wie der Duisburger Straße”, meint Conny Krüger. Sie stellte fest: „Die Kinder merken jetzt selbst viel früher, wenn sie nicht mehr mitkommen. Dann sagen sie etwa, ich bin ganz durcheinander im Kopf – und schon machen wir eine kleine Übung und es läuft wieder besser.”

„60 Prozent unserer Kinder haben einen Migrationshintergrund”, sagt Joachim Robbers, Schulleiter der Josefschule. Doch da die Sprachförderung in den Kindertagesstätten sich verbessert habe, hätten diese Kinder nicht mehr oder weniger Sprachprobleme als ihre deutschen Klassenkameraden. „Was uns mehr beschäftigt: 44 Prozent unserer Eltern beziehen Hartz IV”, so Robbers. Der Anteil der Alleinerziehenden, der Patchwork-Familien wachse.

Die Folgen seien greifbar: „Viele Kinder kamen ohne Frühstück zu uns.” Also habe sich das Kollegium zusammengesetzt, „um zu prüfen, wie wir unsere Schüler stärken können”. Ein Frühstücksbüfett wurde eingerichtet. „Da gibt es Obst und Gemüse”, erzählt Robbers. Ernährungsberatung und Bewegungsspiele seien ebenfalls längst in den Unterricht integriert worden.

Das Gut drauf-Mobil schneiderte sein Programm maßgerecht auf jede der teilnehmenden Schulen zu, ergänzte hier, vertiefte dort. Außer der Josefschule machen die Emscherschule, die Brüder-Grimm-Schule und die Sankt-Martin-Schule bei dem Projekt mit, das über drei Jahre läuft. „Unterstützt werden wir mit 361 000 Euro von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und mit 40 000 Euro von der Stadt”, erzählt Renate Weiß von der Ruhrwerkstatt. Ziel sei es, an den ausgewählten Grundschulen eine ganzheitliche Gesundheitsförderung mit den Schwerpunkten Bewegung, Ernährung und Entspannung zu etablieren. Angebote soll es während des Unterrichts, in den Pausen und im Offenen Ganztag geben.

„Ein erster Workshop für Fachkräfte des Offenen Ganztags an den Grundschulen hat bereits stattgefunden”, berichtet Renate Weiß. „Wir hoffen nun, dass unser Projekt auch an den nicht beteiligten Schulen auf Interesse stößt.” Kontakt: 857 56-14.