Oberhausen. Auf der Basis einer EU-Richtlinie plant das Land eine neue Hygieneordnung für Tagesmütter. Die Betreuerinnen sollen demnach genauso wie Restaurants oder Kantinen behandelt werden. Viele Tagesmütter kritisieren das Vorhaben. Es sei unmöglich, in der Kinderbetreuung einen “Reinraum“ zu schaffen.
Als „Katastrophe“ bezeichnet Tagesmutter Elke Düvel (50) die geplanten neuen Hygienevorschriften für Tagesmütter. Sie und die weiteren 140 Oberhausener Tagesmütter sind noch immer aufgewühlt. In einer gemeinsamen Sitzung am Mittwoch wollen sie das Thema noch einmal intensiv diskutieren.
Basierend auf einer EU-Leitlinie von 2004 plant das Land eine neue Hygieneordnung für Tagesmütter. Danach sollen Tagesmütter genauso wie Restaurants oder Kantinen als Lebensmittelunternehmen behandelt werden, weil sie regelmäßig Essen an Kinder austeilen. Durch bestimmte Hygienevorschriften soll gesichert sein, dass die Kinder weder durch falsche Zubereitung noch durch mangelnde Hygiene gefährdet werden.
Strikte Regeln
Auf 20 Seiten wird in dem Entwurf der neuen Hygieneordnung festgehalten, dass beispielsweise Finger- und Ohrringe bei der Küchenarbeit nicht erlaubt seien, dass auf das Tragen von intensiv duftenden Parfüms und Deos verzichtet werden solle, Einkäufe protokolliert, Lebensmittel getrennt gelagert, die Kühlschranktemperatur mehrmals kontrolliert und Handtücher nur einmal benutzt werden sollten.
„Um das alles zu gewährleisten, muss ich bald eine Bürokraft einstellen“, schimpft Elke Düvel. Sie ist seit 17 Jahren Tagesmutter und betreut bei sich zu Hause drei Kinder im Grundschulalter. Die Einführung solcher Regulierungen bezeichnet sie als „systematisches Kaputtmachen“ der Tagesmütter. „Es ist nicht richtig, uns Tagesmütter mit Lebensmittelunternehmen gleichzusetzen und uns nach deren Maßstäben zu bewerten“, kritisiert Klaudia Böer (53) den Ansatz der geplanten Hygieneordnung.
Neueinsteiger abschrecken
Die ausgebildete Ergotherapeutin ist seit zehn Jahren Tagesmutter und leitet seit zwei Jahren ein „Pflegenest“ in angemieteten Räumen. Hier werden neun Kinder durch zwei Tagesmütter betreut. Damit befindet sie sich zwar in einer anderen Situation als diejenigen, die in ihren Privaträumen betreuen, die neuen Leitlinien träfen jedoch auch auf sie zu.
In einigen Aspekten hält sie für sinnvoll - auch wenn sie Dinge wie das Händewaschen vor dem Kochen oder das regelmäßige Handtuchwechseln als „selbstverständlich“ sieht. Man genieße schließlich das Vertrauen der Eltern.
Natürlich sei Sauberkeit wichtig, doch diese müsse nicht klinisch sein. Gerade in Privathaushalten, so sieht es auch Elke Düvel, sei es unmöglich, einen „Reinraum“ für die Kinder zu schaffen. „Die immer neuen Auflagen, wie zum Beispiel der neue Hygieneleitfaden, schrecken Neueinsteiger schnell ab“, sagt Düvel.
Menschliches prüfen
Zwar seien unabhängige Hygienekontrollen durch die Stadt wichtig, doch „in erster Linie sollten die Kontrolleure prüfen, ob das Menschliche und die Betreuung stimmt“, meint Düvel.
Auch Stadtsprecher Martin Berger meldet Zweifel an, ob die vom Land geplanten Hygiene-Richtlinien nicht zu streng ausfallen. „Es ist möglich, dass diese Regulierungen abschreckend auf Menschen wirken, die in der Tagespflege tätig werden wollen“, sagt er. So könne es durchaus sein, dass die neuen Richtlinien Frauen davon abhalten, Tagesmütter zu werden. Das könne das Ziel der Stadt gefährden, die U3-Betreuung durch mehr Tagespflegekräfte auszubauen.