Oberhausen. Die Weihnachtswelt hat sich für Karl Lange im Laufe der Jahre sehr verändert. Diese Veränderungen sieht er mit Bedauern, auch deshalb, weil Kinder heute mit Geschenken oft so überhäuft werden, dass „nach zehn Minuten alles schon alt ist und das nächste Geschenk erwartet wird.“

Der 87-jährige Schmachtendorfer fasst das so zusammen: „Mit welchen Kleinigkeiten waren wir als Kinder doch zufrieden... Heute sind Einschränkungen nicht mehr gefragt. Was mich traurig stimmt, ist die materielle Erwartungshaltung, die heute mit Weihnachten verbunden ist.“

Karl Lange, der 1924 in Walsum geboren wurde und seit seinem vierten Lebensjahr im Oberhausener Norden lebt, kann sich noch gut erinnern an die Zeit, als sein Onkel in die Rolle des Weihnachtsmannes schlüpfte: „Er hat gern geschnitzt; mir hat er einen kleinen Leiterwagen geschenkt, der mit Holz beladen war.“

Weihnacht im Schützengraben

Stolz habe er das Gedicht aufgesagt, das er gerade im ersten Schuljahr gelernt hatte. Doch der Mann im roten Gewand kannte auch alle seine „Schandtaten“: „Ich habe in den ersten Jahren nicht gemerkt, dass mein Onkel im Kostüm steckte. Und dabei kam er immer mit dem Schlitten - mit meinem. Schließlich haben mir meine Cousins verraten, dass ihr Papa der Weihnachtsmann sei. Danach habe ich auf seine Stiefel geguckt, und die haben ihn verraten“, schmunzelt Lange.

Ebenso lebhaft sind seine Erinnerungen an die Kriegsweihnacht, die er 1943 und 1944 in Russland verbrachte: „Wir hatten Wache in einem Schützengraben. Im Bunker gab es 1943 sogar einen Weihnachtsbaum. Wir haben Weihnachtslieder gesungen, einer spielte Mundharmonika - bei 30 bis 40 Grad minus. Der Mundharmonika-Spieler stimmte um Mitternacht ,Heimat, deine Sterne’ an. Ich weiß noch, dass alle in den Himmel schauten. Der war klar und voller Sterne. Dieses Lied habe ich nie vergessen. Wenige Minuten später gerieten wir unter Beschuss.“

"Wir waren nur dankbar, dass wir alles überstanden hatten"

Mit großer Dankbarkeit habe er mit seinen Eltern das erste Nachkriegsweihnachten gefeiert: „Wir hatten sogar einen Baum.“ An einen Besenstiel haben Karl Lange und sein Vater Tannenzweige genagelt, das Ganze in einen Topf mit Wasser gestellt und gefrieren lassen: „Das sah toll aus. Wir hatten sogar eine Handvoll Glaskugeln aus unserem zerbombten Haus gerettet.“

Geschenke? „Wir waren nur dankbar, dass wir alles überstanden hatten“, erinnert er sich. Doch die Zeiten sollten sich ändern: „Ich ging auf Brautschau und wollte meiner Lieben zu Weihnachten ein besonderes Geschenk machen. Geld hatten wir nicht. Also wurde gebastelt.“ Schwer im Trend waren damals Nähkästchen.

"Unser Reichtum wird als solcher nicht mehr empfunden"

Sein Vater brachte von seinem Arbeitsplatz bei der Ruhrchemie Fichtenholzreste mit: „Mein Vater war handwerklich geschickt; ich ja weniger“, lacht Karl Lange. Gemeinsam sägten und schraubten sie den Nähkasten zusammen, die Mutter spendierte Garne und Zwirn: „Das Kästchen sah schick aus. Jahrzehntelang hat meine Frau es benutzt.“

Karl Lange sieht die Veränderungen des Weihnachtsfestes im Laufe der Jahrzehnte mit Bedauern, auch deshalb, weil Kinder heute mit Geschenken oft so überhäuft werden, dass „nach zehn Minuten alles schon alt ist und das nächste Geschenk erwartet wird. Unser Reichtum wird als solcher nicht mehr empfunden, sondern als selbstverständlich hingenommen.“