Oberhausen. Der heilige Martin ist Sinnbild für Freigiebigkeit und Hilfsbereitschaft. Welche Bedeutung aber hat das Teilen heute?
Er ist Sinnbild für Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe und Freigiebigkeit: Sankt Martin. Nur fromme Legende? Oder hat uns sein Vorbild heute noch etwas zu sagen? Die NRZ nimmt den Namenstag des Heiligen zum Anlass, mal nachzuhören: Welche Bedeutung hat das Teilen noch in unserer Gesellschaft?
„Wir teilen und verteilen 350 mal im Jahr“, sagt Josef Stemper von der Oberhausener Tafel. Das sei nur möglich, weil viele Oberhausener Geschäfte regelmäßig Lebensmittel spendeten. „Die Händler machen gut mit“, freut sich Stemper für die rund 120 bis 130 Menschen, die täglich Lebensmittel in Empfang nähmen. Neben den Sachspenden seien auch Geldspenden für den Erhalt der Tafel von großer Bedeutung. „Viele Ehrenamtliche spenden Zeit“, freut sich Stemper. Regelmäßig erführen bedürftige Menschen Menschlichkeit – und das in einer ehemaligen Kirche. „Einem Ort, wo früher regelmäßig Nächstenliebe gepredigt wurde.“ Grundsätzlich könne, wer etwas teile, seine Mitmenschen glücklich machen. Doch mehr noch: „Man wird“, so hat es Stemper festgestellt „auch selber glücklich“.
Ursprung der Gewerkschaft
„Das Teilen ist der Ursprung der Gewerkschaft“, meint Henrike Greven, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim-Oberhausen und fordert: „Die, die viel haben, müssen denen, die wenig haben, etwas abgeben“. Früher sei es gang und gäbe gewesen, dass Reichere höhere Versicherungsbeiträge zahlten – und trotzdem keine Mehrleistungen forderten oder erhielten. „Wir fordern von Vermögenden, etwas von ihrem Vermögen abzugeben.“ Stärkere müssten Schwächere unterstützen, Reiche die Ärmeren. „Als Gewerkschaft halten wir an diesem Grundsatz fest“, sagt Greven: „Nur gemeinsam kann man etwas bewegen.“
„Wir haben Kolleginnen, die sich eine Stelle teilen“, sagt Katja Hübner von der Agentur für Arbeit. Beim sogenannten Job-Sharing, das es auch in anderen Oberhausener Einrichtungen und Firmen gebe, würde eine Vollzeitstelle mit mehreren Arbeitnehmern besetzt. „Das sind häufig Frauen, die aus der Elternzeit kommen und nicht sofort in Vollzeit arbeiten möchten.“ Doch nicht nur praktische Aufgaben werden an Arbeitsstellen geteilt: „Grundsätzlich teilen ältere Mitarbeiter auch ihre Erfahrungen und Kenntnisse mit Nachwuchskräften“.
Wie Gewerkschafterin Henrike Greven denkt auch Katja Hübner beim Wort ‘Teilen’ an Versicherungen. „Im Grunde teilt die ganze Gesellschaft doch ihr Geld miteinander“. Ein Arbeitnehmer etwa, der jahrelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, aber diese nicht in Anspruch nehmen müsse, unterstütze durch seine Beiträge andere, die darauf angewiesen seien.
„Teilen ist aus der Mode“
„Das Martinsfest macht uns jedes Jahr deutlich, wie aktuell und wichtig das Thema noch heute ist“, sagt Reinhard Messing von der Caritas. Die Martinsgeschichte lehre noch heute gesellschaftliche Werte: Der Stärke hilft dem Schwachen. „Teilen ist leider ein wenig aus der Mode gekommen“, beklagt Messing. „Wir als Verband wollen Sorgen, Nöte und Schwierigkeiten der Menschen in Oberhausen teilen“, sagt Messing. Es gebe viele Angebote, die nicht gefördert würden, aber wichtig für die Bevölkerung seien. Viele Projekte würden durch Spenden finanziert, von Ehrenamtlichen getragen. „Wichtig ist es, für die Menschen da zu sein und sie zu unterstützen.“ Geteilt würden Zeit, Fachlichkeit und menschliche Kompetenzen. Tatsächlich gebe es mehr Teilende als man im ersten Moment glaube. Viele folgtem dem Leitspruch: Tue Gutes und rede nicht drüber.
„Es droht die Gefahr, dass sich in unserer ‘Ellenbogengesellschaft’ die Starken durchsetzen“, fürchtet Messing. Dabei sei die Gesellschaft „nur so gut, wie sie mit dem Schwächsten umgeht.“ Entsprechend wichtig sei es, „Menschen wertzuschätzen“ – egal welcher Religion oder welchem sozialen Stand sie angehörten. Womit wir wieder bei Martin und dem Bettler wären...